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Blick auf die Hochhäuser von Chicago: Die Stadt am Michigansee ist Start- und Endpunkt des «California Zephyr».

Blick auf die Hochhäuser von Chicago: Die Stadt am Michigansee ist Start- und Endpunkt des «California Zephyr». Foto: Finn Huwald/dpa-tmn

Bahnreisen Amtrak-Abenteuer: Mit dem Zug quer durch die USA

Schienenrattern über fünf Tage: Eine Zugfahrt quer durch Nordamerika ist akustisch eintönig, aber ansonsten: die pure Vielfalt. Spektakuläre Landschaften, Wilder Westen. Langeweile? Davon keine Spur.

Frühmorgens an einem kalten Tag in Seattle. Am Bahnhof ertönt die Durchsage: Eine Schlammlawine versperre die Strecke. Der Zug könne nicht fahren. Nach langem Warten heißt es: ab mit Bussen nach Portland. Leider verschleiert Nebel die Blicke auf bekannte Vulkane wie den Mount Rainier. 

Mit Verspätungen, Umleitungen und Ersatzverkehr sind Zugreisende nicht nur in Deutschland geschlagen, auch in den USA kommen sie häufig vor. Dafür aber locken unterwegs ganz andere Dimensionen. Tausende Kilometer lange Strecken, spektakuläre Natur in Überdosis: Zugfahren in den USA ist ein unvergessliches Erlebnis.

Man kann tage- oder sogar wochenlang durch das drittgrößte Land der Welt mit den Amtrak-Bahnen reisen. Mit über 30 Linien und knapp 34.500 Schienenkilometern ermöglicht das Zugunternehmen Fahrten innerhalb der USA und auch teilweise in Kanada zu über 500 Zielen in 46 Staaten. So wirbt Amtrak auf seiner Webseite. Für uns geht es auf einer der wohl atemberaubendsten Strecken von Seattle an der West- nach New York City an der Ostküste.

Mit einigen Stunden Verspätung startet in Portland schließlich die Zugreise nach Sacramento in Kalifornien. Schon beim Anblick des silberglänzenden Schienengespanns fühlt man sich wie in einem Hollywood-Film - es riecht nach Abenteuer.

Doch die erste Nacht auf einem ganz normalen Zugsitz - Schlafabteile sind vergleichsweise teuer - gerät ziemlich ungemütlich. Eine eigene Decke und Kopfkissen sind ein Muss. Um 6.00 Uhr klingelt der Wecker. Umstieg in Sacramento vom «Coast Starlight»-Zug in den «California Zephyr». 

«Anstatt das Flugzeug zu nehmen, was die herkömmliche Art des Pendelns ist, wollte ich den berüchtigten Weg mit dem Amtrak ausprobieren», erzählt der mitreisende indische Student Arunachalam Barathidasan. Immer wieder hört man, dass in den USA nur geflogen wird, aber vom Zugfahren ist kaum die Rede.

Schlafen im Sitzen - bequem geht anders

Dabei nutzten im vergangenen Jahr rund 28,6 Millionen Gäste Amtrak, ein Bruchteil zwar im Vergleich zu den Flugpassagieren, aber die Kurve zeigt nach oben: «Im Geschäftsjahr 2023 stiegen die Fahrgastzahlen im Fernverkehr um fast 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Amtrak ist ein starker Konkurrent für Fluggesellschaften in vielen regionalen Märkten.» Sagt zumindest Amtrak-Sprecherin Kelly Just.

Die Strecke des «California Zephyr» führt von der San Francisco Bay bis nach Chicago und bietet somit die längste durchgehende Zugfahrt in den USA. Es geht über drei Tage durch sieben Bundesstaaten, laut Kelly Just die beliebteste Langstrecke in den USA. Spektakuläre Abschnitte in den Rocky Mountains warten - und nicht nur die.

Um die Natur besonders zu bestaunen, bietet der Fernzug, wie andere Zuglinien auch, ein Highlight für Schaulustige: den Sightseeing-Waggon. Durch riesige Panoramafenster verschmilzt der Zug mit der Natur.

So schlängelt sich der Silberpfeil durch die verschneiten Berge von Kalifornien zunächst bis nach Reno in Nevada. Das Abteil mit den Fensterfronten ist voll besetzt. Touristen und andere Reisende sitzen quer zur Fahrtrichtung, um den perfekten Blick nach draußen zu genießen. Als die Sonne sich verabschiedet, ist das Bedauern groß.

Schneebedeckte Berge, goldene Wüsten

Aber schon beim Aufstehen geht das Staunen weiter. Die Lichter von Salt Lake City in Utah brennen noch, von hinter den Bergen schimmert das Tageslicht immer heller. Der Zug schaukelt hin und her, tastet sich streckenweise langsam vorn, die Natur fährt die ganze Bandbreite auf: Erst ziehen schneebedeckte Berge vorbei, dann die Wüsten von Utah. Schließlich dringt der «California Zephyr» in tiefe Canyons vor.

So viel Vielfalt in vergleichsweise kurzer Zeit muss man erst einmal verarbeiten, doch die Landschaft ist einer der Hauptgründe, aus denen sich Kunden auf eine Amtrak-Fernreise begeben, hat eine Befragung ergeben. 

Manchmal geht es entlang einsam gelegener Häuser - wie im Wilden Westen. Inmitten einer Wüste, entrückt der Zivilisation. Solche Einblicke in die USA, in Gegenden, wo es teilweise keine richtigen Straßen gibt, sind so bequem wohl nur auf einer Zugfahrt zu gewinnen - wenn auch lediglich im Vorbeigleiten.

Dass von Küste zu Küste schon vor über 150 Jahren Züge fuhren, ist schwer vorstellbar. Als erste Zugstrecke in Nordamerika führt die Association of American Railroads die «Baltimore and Ohio Railroad» anno 1827 auf, 1830 beginnt in South Carolina der erste regelmäßige Personen-Zugverkehr in den USA, und 1869 wird die erste transkontinentale Linie zwischen den Goldgräberstädten der Westküste und den Zentren der Ostküste vollendet.

Wird solch eine Reise irgendwann langweilig? Nein, die Natur fesselt unentwegt. Der 25-jährige Barathidasan, der in Chicago studiert, hatte damit gerechnet, dass er von Müdigkeit übermannt würde. Stattdessen sagt er jetzt: «Die Aufregung hält mich am Laufen.»

Es geht durch orange-gelbe Schluchten, grüne Flüsse schlängeln sich durch die Landschaft, dann schweift der Blick wieder über endlose Steppen mit Sträuchern. Allein die Farbenvielfalt ist spektakulär. 

Noch 20 Stunden bis New York

Schließlich, nach 30 Stunden, kurvt der Zug durch die Rocky Mountains in Richtung Denver, die «Mile High City», deren Capitol eine Meile über dem Meeresspiegel liegt. Weiterfahrt nach Chicago, durch die Nacht, der Zug ist jetzt vergleichsweise leer. Dieses Mal beim Aufwachen keine traumhaften Berge, nur Felder. Doch die Faszination bleibt angesichts der Weite, die wieder daran denken lässt, dass man über Tausende Kilometer quer durch ein Land fährt.

Zwischendurch überquert der Zug den Mississippi River. Langsam zuckelt er über eine Stahlbrücke. Wenige Stunden später erreicht der «California Zephyr» den Endhaltepunkt Chicago, sogar pünktlich. Irgendwo auf der Strecke muss er Zeit gut gemacht haben. Es bleiben ein paar Stunden, um die Stadt zu erkunden, bevor die letzte Etappe ansteht.

Am späten Abend setzt sich der tägliche verkehrende «Lake Shore Limited Train» in Bewegung, mit dem es in knapp 20 Stunden nach New York City geht. Jetzt ist viel Zivilisation an Bord, die Waggons sind rappelvoll. Das Wetter ist schlecht, die Sicht unspektakulär. Zeit bleibt fürs Sinnieren - zu dem die Langstrecke viel Zeit bietet. Eine besondere Reise werde Teil unserer Erinnerung, die später ein Gefühl der Nostalgie vermittele, sagt Barathidasan.

Andererseits wecken die vielen weltbekannten Attraktionen auf einer Zugreise quer durch die Staaten auch selbst Assoziationen und Erinnerungen: etwa der Hudson River, der als Highlight in den letzten Stunden entlang der Trasse der ständige Begleiter ist. 

Auf diesem Fluss geschah vor 15 Jahren das «Wunder vom Hudson», die Notlandung eines Passagierflugzeuges. Ein Schwarm Gänse war in die Triebwerke geraten. Der Pilot landete den Flieger sicher auf dem Hudson River in New York City. Die Bilder gingen um die Welt.

Und dann erscheint als unser Ziel New York City am Horizont. Das Abenteuer ist zu Ende: einmal quer durch die USA, fünf Tage Zugreise, 13 Staaten, rund 6600 Kilometer auf Schienen. Und kaum eine Sekunde Langeweile.

Links, Tipps, Praktisches:

Anreise: Nonstop-Flüge nach Seattle von Deutschland aus gibt es ab Frankfurt am Main und München. Wer die Zugreise gleich mit dem «California Zephyr» beginnen möchte, fliegt direkt nach San Francisco.

Einreise: Deutsche Staatsangehörige brauchen für die Einreise in die USA einen gültigen Reisepass und eine elektronische Einreisegenehmigung (Esta) (https://esta.cbp.dhs.gov).

Beste Reisezeit: je nach Geschmack winters wie sommers. Im Sommer sind Schlafkabinen jedoch schnell ausgebucht. Im Winter verursachen Schneestürme in den Rocky Mountains oder der Sierra Nevada Verspätungen. Je nach Saison variieren die Preise.

Die Zugstrecken: Zwischen Seattle (Washington State) und Los Angeles (Kalifornien) verkehrt der «Coast Starlight», er hält auch in Portland und Sacramento. Der «California Zephyr» verkehrt zwischen Emeryville (Kalifornien) und Chicago (Illinois), dies ist mit 3924 Kilometern die längste täglich verkehrende Zugverbindung in den USA. Wer nicht die komplette Strecke mitfahren möchte, kann unterwegs zu- oder aussteigen. Einzelne Abschnitte sollten separat gebucht werden. Von Chicago nach New York City kann man im «Lake Shore Limited»-Train fahren.

Buchungsmöglichkeit: Alle Züge können über www.amtrak.com gebucht werden. Kinder unter zwei Jahren reisen kostenlos, Kinder bis zu 12 Jahren zahlen die Hälfte. 

Übernachtung: Die Lehnen der Coach-Sessel in den Sitzwagen des «California Zephyr» sind verstellbar. Im winzigen «Roomette»-Zweibettabteil werden Polstersessel nachts zu einem schmalen Bett. Darüber klappt ein zweites von der Wand. In den Familienschlafraum passen zwei Erwachsene und zwei Kinder. Nur die größeren «Superliner Bedroom»-Kabinen haben Dusche und Toilette. Sonst sind Waschräume auf dem Gang.

Währung: 1 US-Dollar entspricht 0,93 Euro (Stand: 20. Juni 2024)

Zeitverschiebung: Die US-Westküste ist Deutschland in der Regel neun Stunden hinterher, die Ostküste sechs Stunden. Die beschriebene Reise geht durch vier Zeitzonen.

Weitere Auskünfte: Bei der Association of American Railroads (AAR) zur Bahn-Historie (https://dpaq.de/6zFktEo) 

Social Media: www.instagram.com/amtrak; https://www.youtube.com/amtrak

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