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Bevor es ins Wasser geht, erklärt Meryem wichtige Handzeichen - dieses hier bedeutet so viel wie: Bleib wo du bist, die Welle lohnt das Paddeln nicht

Bevor es ins Wasser geht, erklärt Meryem wichtige Handzeichen - dieses hier bedeutet so viel wie: Bleib wo du bist, die Welle lohnt das Paddeln nicht

Urlaub in Marokko Wellen jagen mit Marokkos bester Surferin

Das ganze Jahr Sonne und gute Bedingungen für Profis und Anfänger, je nach Jahreszeit: Marokko ist zu einem Mekka für Surfer geworden. Auch immer mehr einheimische Frauen wagen sich in die Wellen.

Unter den coronabedingten Reisebeschränkungen leiden natürlich auch viele Surfer. Denn die besten Surfreviere befinden sich nicht unbedingt gleich vor der Haustür. Sollte Reisen wieder ohne Probleme möglich sein, lohnt sich für Wellenreiter der Weg nach Marokko.

Ich liege im Wasser auf meinem Anfängerbrett aus Schaumstoff. Links neben mir hebt sich der Devils Rock aus dem Wasser, ein mächtiger Felsen, der dem beliebten Surfspot im Küstenort Tamraght am Atlantik seinen Namen gegeben hat.

Am belebten Strand streckt meine Surflehrerin Meryem el Gardoum beide Arme in die Luft. «Schnapp dir die Welle», will sie mir damit signalisieren. Wie wichtig klare Kommunikation über Handzeichen ist, hat sie mir beim Warm-up vor der Surfstunde eindringlich erklärt.

Während ich mit aller Kraft paddele, habe ich Meryems Stimme im Kopf: «Arme nah am Brett lassen, sonst vergeudest du nur deine Energie. Immer nach vorne schauen, sonst verlierst du die Balance. Und bleib locker in den Knien.» Viele Dinge auf einmal, natürlich vergesse ich wieder irgendwas, komme aber trotzdem recht zielsicher bei ihr an.

Die Geschichte einer Pionierin

Meryem unterrichtet nicht nur, sie surft auch selbst, und das ziemlich gut: Fünfmal hat sie die marokkanischen Surfmeisterschaften gewonnen, beim ersten Mal war sie mit 14 Jahren die jüngste Teilnehmerin in ihrer Altersklasse.

Die heute 23-Jährige surft, seit sie 11 Jahre alt ist. Gelernt hat sie den Sport hier am Devils Rock von ihrem Cousin Zaid. Der arbeitet in einem kleinen Surfshop. Mein Material haben wir bei ihm abgeholt.

«Sie war das erste Mädchen hier im Dorf, das gesurft hat», erzählt Zaid. Zunächst sehr zum Unmut ihrer Eltern. Besonders der Vater machte sich Sorgen um den Ruf und die Zukunft seiner Tochter. «Ich habe ihm erklärt, dass ich kein Interesse an Jungs, Alkohol und Party habe, sondern einfach nur surfen will», erinnert sich Meryem.

Der Vater vertraute ihr und ließ sie mit ihren Brüdern, Cousins und anderen jungen Männern aus dem Dorf trainieren. Bis heute keine Selbstverständlichkeit in Marokko.

«Langsam ändert sich hier die Mentalität», glaubt Zaid. «Viele Mädchen wollen heute Surfen lernen, nicht zuletzt wegen Meryem.» Bei Instagram, wo ihr etwa 12 500 Menschen folgen, erhalte sie viele Nachrichten von jungen Frauen, die ihr genau das bestätigen.

Unangenehme Kontaktversuche

Meryem hat keinen Sponsor, keinen Privatcoach, anders als viele Männer. Sie arbeitet seit einigen Jahren als Lehrerin in einem Surfcamp. Dazu bietet sie seit einiger Zeit private Coachings an.

Weil ich das meiste aus meiner Einzelstunde mit der besten Surferin des Landes rausholen will, lege ich mich noch mal aufs Brett, obwohl meine Arme mittlerweile schon ziemlich schlapp sind, und kämpfe mich gegen die Fluten zurück zum Line-up. Das ist der Punkt, kurz bevor die Wellen brechen. Etwa 30 weitere Surferinnen und Surfer liegen in einer Reihe mit mir im Wasser und warten auf den richtigen Moment.

Während ich hochkonzentriert versuche, aus der winkenden Meryem schlau zu werden, quatscht mich ein Typ an und fragt nach meinen Plänen für den Abend. Ich erkläre ihm höflich, dass ich schon was vorhabe und auch jetzt absolut beschäftigt bin. Als ihn das nicht zu interessieren scheint, nehme ich die nächstbeste Welle, vermassle den Pop-up, also den Sprung aus der Waagerechten aufs Brett, und komme ziemlich unelegant wieder bei Meryem an.

Lachend erklärt sie mir, dass sie mich durch ihr Winken vor dem Typen warnen wollte. Der würde nämlich ständig sein Glück bei ihren Schülerinnen versuchen. Die meisten Surfer hier seien aber total in Ordnung, was auch meiner bisherigen Erfahrung entspricht. Viele Frauen würden einen weiblichen Surfcoach bevorzugen.

Der Traum vom eigenen Surfcamp

Umgekehrt arbeitet Meryem auch viel lieber mit Frauen. Mit Männern habe sie einfach zu viel schlechte Erfahrung gemacht. Zu ihren Kundinnen zählen daher vor allem Frauen aus dem Ausland.

Nachdem ich mich aus dem nassen Neoprenanzug gezwängt habe, trinken wir noch einen Avocado-Shake in einem der kleinen Cafes an der Promenade. Meryem erzählt, dass sie ihr eigenes Surfcamp eröffnen will. «Ich liebe es, zu unterrichten und meine Erfahrungen weiterzugeben. Ich will das alles Schritt für Schritt machen. Zuerst möchte ich eine eigenen Surfschule aufmachen und dann irgendwann eine Kollaboration mit einem Hostel eingehen, wo die Gäste untergebracht werden können», sagt die junge Marokkanerin.

Eigentlich wollte sie schon diesen Herbst ihre ersten eigenen Gruppen zu Gast haben. Doch Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung, die Touristen blieben wegen der Pandemie zu Hause.

Marokkos Atlantikküste ist ein Surf-Hotspot

Meryem hofft, dass in der nächsten Hauptsaison ab Oktober 2021 alles wieder so sein wird wie vor der Krise. Denn der Surftourismus hat in Marokko in den letzten Jahren einen echten Boom erlebt.

Die 23-Jährige hat miterlebt, wie innerhalb weniger Jahre Hunderte Surfcamps, Surfhostels und Schulen im Küstenabschnitt zwischen Imsouane und Agadir aus dem Boden gesprossen sind. Von der Terrasse des Cafés aus überblickt man den Strandabschnitt von Tamraght bis ins etwa fünf Kilometer weiter nördlich gelegene Taghazout. Vor wenigen Jahren lag zwischen den Orten nur Strand und dahinter plattes Land. Heute reihen sich mehrere große Hotelbauten aneinander.

Die meisten Surfer bevorzugen aber eher kleine Orte und familiäre Unterkünfte, sie interessieren sich für die lokale Kultur.

Auch die Umgebung hat viel zu bieten. In den Bergen, etwas weiter im Inland, liegen kleine, authentische Berberdörfer. Wer ein Auto leiht, kann sich auf den Weg ins Atlasgebirge machen, ins Paradise Valley mit seinen Felsenbecken und Wasserfällen. In der «kleinen Wüste» nördlich von Tamraght lässt sich in den Dünen «Sandboarden».

Zum Schluss verrät die Profisurferin mir noch ihren absoluten Lieblingsort in der Gegend: Nach etwa eineinhalb Autostunden von Tamraght in Richtung Essaouira erreicht man den kleinen Fischerort Imsouane. Der sei in den letzten Jahren zwar auch etwas gewachsen, liege aber weit genug entfernt von Agadir, sodass die Massen ihn noch nicht entdeckt hätten. «Wenn ich dorthin fahre, gehe ich surfen, esse Fisch und skate im Sonnenuntergang. Einfach perfekt.»

(11.12.2020, dpa)

 
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