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Am Sudkessel der Rathausbrauerei im alten Rathaus nehmen Holger Roger Pelz (l-r) von den Fürstenwalder Brau-Freunden und Katrin Riegel vom Tourismusverband zusammen mit Oliver Wittkopf und Bernd Norkeweit an einem Braukurs teil.

Am Sudkessel der Rathausbrauerei im alten Rathaus nehmen Holger Roger Pelz (l-r) von den Fürstenwalder Brau-Freunden und Katrin Riegel vom Tourismusverband zusammen mit Oliver Wittkopf und Bernd Norkeweit an einem Braukurs teil. Foto: Patrick Pleul/dpa

Brauereigeschichte Bierbrauen für jedermann mit «Krüger Kersten»

Im mittelalterlichen Gewölbekeller in Fürstenwalde können Gäste erlernen, wie Bier gebraut wird. Dazu gibt es natürlich Bier und jede Menge Geschichte. Solche Kurse sind inzwischen beliebt.

Mit seinem schwarzen Barett auf dem Kopf, dem geschnürten, hellen Leinenhemd und der braunen Lederschürze wirkt Bernd Norkeweit, als sei er gerade aus dem Mittelalter gekommen.

Zumal er Gäste in einem mittelalterlichen Gewölbekeller in Fürstenwalde (Landkreis Oder-Spree) willkommen heißt. Wenn der Regionalhistoriker dann Museumsbesucher durch die Fürstenwalder Brauereigeschichte führt oder bei einem Braukurs begleitet, schlüpft Norkeweit in die historische Rolle des Krügers Friedrich Kersten - den soll es tatsächlich gegeben haben.

Brautradition in Fürstenwalde

«Krüger war die mittelalterliche Bezeichnung für einen Wirt. Kersten hatte seine Gastwirtschaft im 15 Kilometer entfernten Steinhöfel. Und er ließ für das Fürstenwalder Bier sein Leben», erzählt Norkeweit, Vorsitzender der Fürstenwalder Brau-Freunde, eines 39 Mitglieder zählenden Vereins, der sich der Erforschung, Pflege und Förderung der Brautradition in der Stadt verschrieben hat. Bereits seit 1451 sei in Fürstenwalde Bier gebraut worden, mit 104 Brauhäusern sei die Stadt einst nach Bernau (Kreis Barnim) die zweitgrößte Braumetropole Brandenburgs gewesen, sagt Norkeweit.

Auch Krüger Kersten soll das Fürstenwalder Bier im 16. Jahrhundert gern ausgeschenkt haben. Per Krugsverlagsrecht hatten ihn jedoch die Ratsherren in Müncheberg (Kreis Märkisch-Oderland) dazu verpflichtet, Bier aus ihrer Stadt über seinen Tresen zu verkaufen - so die Überlieferung . «Als er sich weigerte, wurde er in Müncheberg gehängt», erzählt der Regionalhistoriker. Bei der Sanierung der Müncheberger Stadtpfarrkirche waren 1995 Gebeine gefunden worden, bei denen es sich um die Überreste des widerspenstigen Krügers handeln soll. Seine Geschichte ist Bestandteil des Museums, Norkeweit erzählt sie detailreich bei jeder Führung.

Die Fürstenwalder Braufreunde betreiben seit 2018 das städtische Brauereimuseum, in dem es dank der Kleinbrauerei Rathausbräu seit zehn Jahren wieder echtes Fürstenwalder Bier gibt. «Wir produzieren in unserer 500-Liter-Brauanlage drei Sorten plus ein saisonales Bier - weder filtriert noch pasteurisiert. Deswegen ist es nur etwa vier Wochen haltbar», erklärt Brauer Oliver Wittkopf. Beliefert würden Gastronomen und die Fürstenwalder Tourist-Information. Zudem gibt es einen Bierwagen und Kunden können sich das Bier in der Brauerei abfüllen lassen: Der Erstkäufer bekommt das Gebräu in einer Ein-Liter-Flasche, die er je nach Bedarf wieder nachfüllen lassen kann.

Tourismusverband setzt auf «Slow-Trips» in Ostbrandenburg

Wie genau das Fürstenwalder Bier entsteht, können Interessierte seit diesem Jahr auch bei Braukursen in Fürstenwalde erlernen. Brauer Wittkopf ist für die fachkundige Anleitung zuständig, «Krüger Kersten» für die historischen Fakten und Anekdoten. Viermal im Jahr wird geschrotet, gemaischt, erhitzt, gerührt, geläutert, gekocht und aus dem Treber Brot gebacken. «Zwischendurch müssen die Zutaten immer wieder ruhen oder rasten - diese Zeit wird für Verkostung, Museumsführung und deftiges Mittagessen im nahe gelegenen Zunfthaus genutzt. Der 125 Euro teure Kurs startet mit einem üppigen Frühstück im Gewölbekeller, als Grundlage für das viele Bier, was im Laufe der nächsten sieben Stunden probiert wird», erläutert Norkeweit.

Mit der Resonanz sind die Fürstenwalder Braufreunde bisher zufrieden. Die Aufmerksamkeit bei Touristen ist wohl auch deshalb groß, weil der Tourismusverband Seenland Oder-Spree den Braukurs als einen von rund 20 sogenannten «Slow-Trips» in Ostbrandenburg vermarktet. «Gäste der Region sollen nicht eine Sehenswürdigkeit nach der anderen im Schnelldurchlauf abhaken, sondern sich Zeit nehmen, um beispielsweise spannende Geschichte oder altes Handwerk kennenzulernen», erläutert Katrin Riegel vom Tourismusverband. Zu den Angeboten zählen neben dem Fürstenwalder Braukurs ein Besuch der Orgelwerkstatt Scheffler in Sieversdorf (Kreis Oder-Spree) oder das Musizieren mit Steinen auf einem Findlingshof bei Strausberg (Kreis Märkisch-Oderland). Im Trend liegen laut Riegel stressfreie Ausflüge, um Authentisches zu erleben.

Verkostet werden kann das selbst gebraute Bier aus dem Fürstenwalder Brauereikeller jedoch nicht sofort. «Es muss zunächst noch sieben Tage im Gärkessel bleiben und dann in Lagertanks drei Wochen reifen», sagt Brauer Wittkopf. Erfolgreiche Kursteilnehmer bekommen jedoch einen Liter Rathausbräu und ein Treberbrot zum Abschied. «Entweder kommen sie dann zum Verkosten des Selbstgebrauten nochmal her, beispielsweise zu unseren monatlichen Stammtischen, oder wir füllen es ihnen in ein Fass um zum Mitnehmen», sagt Norkeweit.

Bierbraukurse liegen im Trend, bestätigt der Geschäftsführer des Vereins der Brandenburger Kleinbrauereien, Uwe Oppitz. «Die Hälfte unserer 19 Mitgliedsfirmen bietet so etwas an», sagt er. «Besonders Hobbybrauer, von denen es im Land mindestens 600 gibt, schätzen das Angebot.» Seit dem vergangenen Jahr verleiht der Verein einen Bier-Award an den besten Hobbybrauer, das nächste Mal beim Brauereitreffen in Finsterwalde (Kreis Elbe-Elster) am 16. und 17. Juni dieses Jahres.

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