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Paul Steinbrück vom Verein «Pool is cool», der das Freibad «Flow» initiiert hat und es betreibt. Das «Flow» ist das einzige Freibad Brüssels.

Paul Steinbrück vom Verein «Pool is cool», der das Freibad «Flow» initiiert hat und es betreibt. Das «Flow» ist das einzige Freibad Brüssels. Foto: Michel Winde/dpa

Schlecht Baden in Brüssel Der Europäischen Hauptstadt mangelt es an Freibädern

Das Baden im Freibad ist für Deutsche so etwas wie ein Kulturgut. In der belgischen Hauptstadt Brüssel dagegen ist das Schwimmen an der frischen Luft beinahe unmöglich. Ein Deutscher will das ändern.

38,1 Grad, 36,4 Grad, 33,7 Grad - in der belgischen Hauptstadt Brüssel sind in den vergangenen Wochen ein ums andere Mal Hitzerekorde gepurzelt. Was liegt da näher als eine Abkühlung im Freibad? Doch was in vielen deutschen Städten selbstverständlich ist, ist in Brüssel beinahe unmöglich.

Freibäder? Gibt es nicht. Badeseen? Fehlanzeige. In Brüssel wird geschwitzt und nicht geplanscht. Im europäischen Vergleich gibt Brüssel damit eine traurige Figur ab. Doch es tut sich etwas in der Hauptstadt Europas. Und das hat auch mit dem Deutschen Paul Steinbrück zu tun.

Der 41-Jährige steht an der Spitze einer Bewegung, die das Baden in Brüssel wieder an die frische Luft holen möchte. «Pool is cool» heißt sein Verein, der im vergangenen Jahr einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gemacht hat.

Seitdem steht direkt neben dem Kanal in der Brüsseler Gemeinde Anderlecht ein 17 mal 7 Meter großes - oder eher kleines - Schwimmbecken namens «Flow». Es ist von hölzernen Tribünen und Galerien umringt, die zum Verweilen einladen. Die 45-minütigen Badeslots sind heiß begehrt, zumal es nur 30 Tickets je Slot gibt.

Bunte Mischung aus Familien, Rentnern und Halbstarken

Für Steinbrück, der 2008 als Architekt nach Brüssel kam, geht es jedoch nicht nur ums Baden. «Freibäder sind fantastische Orte, die für jeden in der Gesellschaft einen Mehrwert bieten.» Er spricht von einer «superbunten Mischung», die zum Schwimmen und Entspannen komme. Und tatsächlich: Wer im «Flow» schwimmt, schwimmt neben Posern, neben jungen Familien, neben Rentnern, Halbstarken und Pärchen.

Finanziert wird «Flow» zu 80 Prozent durch die öffentliche Hand, wie Steinbrück sagt. Der Rest komme von Sponsoren, aus dem Kiosk-Verkauf und den Tickets. 200.000 Euro koste der Betrieb im Jahr.

Doch ein einziger Pool, das weiß auch Steinbrück, ist für eine Stadt mit gut 1,2 Millionen Einwohnern zu wenig. «Flow» ist keine Lösung des Problems, «Flow» ist ein Tropfen auf den heißen Stein», sagt er. Es sei eher ein Werkzeug, um zu zeigen, was möglich sei.

Freibäder in anderen europäischen Hauptstädten

Was möglich ist, zeigen andere europäische Hauptstädte schon lange. In Deutschland verbringen Kinder gefühlt die kompletten Sommerferien im Freibad. Allein Berlin hat fast 20 Freibäder und zusätzlich mehr als 10 Strandbäder. Ein besonderer Hingucker ist das in der Spree gelegene Badeschiff.

In Madrid gibt es 22 öffentliche Freibäder, deren Besuch für Kinder unter fünf Jahren gratis ist. Auch Kopenhagen hat mehrere öffentliche Freibäder, deren Eintritt kostenlos ist. Noch näherliegend ist es für die Einwohner der dänischen Hauptstadt aber, sich an den Stadtstränden oder im Hafen abzukühlen.

In Amsterdam können die Menschen ebenfalls ins Freibad gehen, doch bieten sich etliche Alternativen für eine Abkühlung an. Amsterdamer schwimmen in Kanälen und Gewässern der niederländischen Hauptstadt zwischen Hausbooten hindurch. Die Grachten in der Innenstadt sind hingegen nicht zum Schwimmen geeignet - vor allem, weil es wegen der vielen Boote gefährlich ist. In Warschau gibt es für knapp 1,8 Millionen Einwohner zumindest fünf Freibäder.

In Brüssel waren Freibäder stets private Initiativen

Warum ist es in Brüssel also so anders? Das letzte Freibad verschwand vor rund 40 Jahren, wie der für den Städtebau zuständige Staatssekretär Pascal Smet zur «Flow»-Eröffnung 2021 sagte. Freibäder seien in Brüssel stets private Initiativen gewesen, erklärt Steinbrück. Er nennt gestiegene Hygiene-Anforderungen, mehr Mobilität durchs Auto und mehrere schlechte Sommer infolge als mögliche Gründe dafür, dass die Bäder geschlossen blieben.

Mittlerweile ist aber in den Verwaltungen Brüssels angekommen, dass es einen Bedarf an Freibädern oder anderen Möglichkeiten zum Schwimmen im Freien gibt. Drei Projekte gibt es, die mehr oder weniger konkret sind: ein Schwimmteich, ein Pool auf einem Dach und - das wohl ambitionierteste Vorhaben - ein 355 mal 13 Meter langes Schwimmbecken entlang des Kanals. Das entspreche einer Länge von sieben olympischen Pools, teilte die Stadt Brüssel zur Veröffentlichung einer Vorstudie im Juli mit.

«Brüssel braucht dringend Schwimmgelegenheiten unter freiem Himmel», hieß es damals. Deshalb arbeite man an einem natürlichen Freibad, «wie es sie beispielsweise in Kopenhagen, Bern oder Berlin gibt».

Brüssel denkt um und startet mehr Freibad-Projekte

Ein Umdenken findet also statt, und daran sind auch Paul Steinbrück und seine Mitstreiter von «Pool is cool» beteiligt. Steinbrück selbst hat seinen Beruf als Architekt mittlerweile aufgegeben. Als Berater bringt er die Erfahrung, die er in den vergangenen Jahren mit «Flow» und anderen «Pool is cool»-Aktionen gesammelt hat, auch in anderen Freibad-Projekten ein.

«Flow» selbst ist für ihn ein Pool auf Zeit, der vielleicht noch ein paar Jahre bestehen wird. Gerade sammelt «Pool is cool» Geld, ein natürlicher Wasserfilter soll her und eine Sauna oder ein Hammam für die kältere Jahreszeit. Im November könnte Brüssels einziger Open-Air-Pool außerdem ausgezeichnet werden. «Flow» ist Finalist des European Prize for Urban Public Space, der besondere Projekte im öffentlichen Raum würdigt.

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