Japan Digital Art Museum in Tokio: Ist das die Zukunft der Kunst?
Tiere aus Blumen ziehen vorbei. Schmetterlinge flattern davon, wenn man sich ihnen nähert. Ein Wasserfall ergießt sich von der Decke und über den Boden. In der Ferne blitzt es, ein Wolkenbruch geht nieder. Am Horizont funkeln Sterne, als schwebe man im Weltraum. Mal steht man inmitten eines Ozeans, mal im Blütenmeer. Und dann erfüllt ein kosmisches Leuchten den dunklen Raum.
Diese Kunstwerke haben eines gemeinsam: Sie bestehen nur aus Licht und Sound. Alles fließt und ist ständig in Bewegung, die Grenzen zwischen den Projektionen und Räumen verschwimmen. Sphärische Klänge, manchmal verspielte. Der Besucher verliert die Orientierung und lässt sich treiben ohne feste Route, bleibt stehen und lauscht und schaut.
Das Künstlerkollektiv teamLab zeigt keine gewöhnlichen Gemälde, Skulpturen oder Videofilme, sondern digital erzeugte Kunst. Zwei Museen wurden 2018 in Tokio eröffnet und schnell zum Kassenschlager.
Sehenswürdigkeit mit Guinness-Buch-Rekord
Das teamLab Planets wurde bei den World Travel Awards als führende Touristenattraktion Asiens ausgezeichnet. Es steht im Guinness-Buch als meistbesuchtes Museum einer einzelnen Künstlergruppe.
Das teamLab Borderless Mori Building Digital Art Museum ist seit Februar 2024 an einem neuen Standort in Azabudai Hills zugänglich. Das Magazin «Time» kürte es als einen der 100 großartigsten Orte der Welt. Permanente Ausstellungen gibt es in Macao und Peking, seit Kurzem auch in Dschidda in Saudi-Arabien. Neue Standorte sind in Planung, darunter in der Hamburger Hafencity.
Das UBS Digital Art Museum in Hamburg soll ein Erlebnis bieten, das es hierzulande und überhaupt in Europa bisher nicht gibt. Zwei Geschosse, bis zu zehn Meter hohe Decken, mehr als 6500 Quadratmeter. Die Werke brauchen Platz.
Das Museum, eine Initiative des deutschen Unternehmers Lars Hinrichs, befindet sich derzeit in Bau. Die Eröffnung soll laut teamLab in den nächsten Jahren sein, auf der Webseite des Museums selbst ist - Stand jetzt - von Ende 2025 die Rede.
Kunst von existenzieller Art
Im Museum in Tokio sieht man, welches Erlebnis die Besucherinnen und Besucher erwartet: Die Kunstwerke bewegen sich frei durch die Räume, dehnen sich aus und beeinflussen sich gegenseitig. Und sie reagieren auf Bewegungen. Die Grenze zwischen Werk und Betrachter wird vage und letztlich aufgehoben, das ist die Idee. Die Besucher sollen zu einem wesentlichen Teil des Kunstwerks werden.
In einem Raum können Kinder etwa Quallen und Schildkröten zeichnen, die sogleich als digitale Kopien über die ozeanisch schimmernden Wände gleiten. Die Meerestiere lassen sich virtuell füttern.
Das Kollektiv, das nicht allein aus Japanern besteht, denkt groß und grundsätzlich. Es gehe darum, «die lange, zerbrechliche, aber dennoch wundersame Kontinuität des Lebens zu erfahren».
Die Werke möchten existenzielle Dinge veranschaulichen: Leben, Tod, Entstehen, Werden, Vergehen, Auflösung und Unendlichkeit. Sie fordern dazu heraus, unsere Vorstellung von der Welt infrage zu stellen.
Ein Beispiel ist die Installation «Bubble Universe». Man steht in einem Raum aus leuchtenden Kugeln, die eine optische Täuschung erzeugen. Kognitive Skulptur nennt sich das. Die Botschaft: Was in unserer Wahrnehmung existiert, ist real. Dafür muss es nicht physisch existieren.
Kitsch oder Kunst?
Natürlich gibt es auch einen gesellschaftskritischen Twist: Man möchte die «Unmöglichkeit des Habens» unterstreichen. Niemand könne die Kunstwerke besitzen. «Die heutige Gesellschaft treibt uns dazu, zu haben, was Grenzen und Spaltung erzeugt», so teamLab auf Anfrage.
Dann wieder heißt es vonseiten des Kollektivs schlicht: «Wir wollten etwas schaffen, das die Herzen der Menschen erreicht.» Das könnte man für Kitsch halten. Tatsächlich ist das Digital Art Museum ein gigantisches visuelles Spektakel, perfekt fürs Social-Media-Zeitalter.
Taugt die vorgebliche Kunst hier nur als Kulisse für Instagram? Auf diese Diskussion möchte das Kollektiv nicht eingehen: Es sei das 21. Jahrhundert. Die Menschen könnten doch sagen, was sie wollen, oder?
Viele Besucher wirken jedenfalls begeistert. In Tokio bewegen sie sich beseelt lächelnd durch die Räume, drehend sich filmend im Kreis, das Handy immer in der Hand. Das Ganze ist ein Erlebnis.
Ist das etwa die Zukunft der Kunst? Oder überhaupt Kunst? Wie immer eine müßige Frage. Die Geschichte werde das entscheiden, heißt es von teamLab. Man möchte aber zumindest das Verständnis von Kunst und Schönheit erweitern. Dass die Schau dazu anregt, über diese Dinge nachzudenken, ist ein Verdienst. Antworten sind langweilig.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Tokio ist Japans Hauptstadt und das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Mit den umliegenden Städten bildet es die größte Metropolregion der Welt (rund 37 Millionen Einwohner).
Reisezeit: Frühling und Herbst gelten als beste Reisezeit, mit moderaten Temperaturen. Der Sommer ist heiß und schwül.
Anreise: Von Deutschland gibt es Direktflüge ab Frankfurt und München (Lufthansa, ANA, Japan Airlines). Von anderen deutschen Städten gibt es Stop-over-Routen, etwa über Helsinki (Finnair).
Einreise: Ein gültiger Reisepass reicht, kein Visum erforderlich.
Museum: Das neue Digital Art Museum in Tokio hat mit wenigen Ausnahmen täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet regulär 4.200 Yen (rund 26 Euro), Minderjährige ab 13 Jahren zahlen 2.800 Yen (17,50 Euro), Kinder ab vier Jahren 1500 Yen (gut 9 Euro).
Unterkunft: Tokio bietet eine breite Auswahl an Hotels in jedem Standard. Drei-Sterne-Doppelzimmer ab etwa 80 Euro pro Nacht.
Geld: Die Währung ist der Yen. Der Wechselkurs ist im Moment günstig: 1 Euro sind rund 160 Yen (Stand: 08.10.2024).
Zeitverschiebung: Tokio liegt in der Sommerzeit sieben Stunden vor Deutschland, in der Winterzeit sind es acht Stunden.
Weitere Auskünfte: gotokyo.com; Künstlerkollektiv teamLab
Social Media: instagram.com/teamlab; youtube.com/@teamLabART