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Karibik? Nein, Irland! Der Blick hinab in die Keem Bay ist atemberaubend, vor allem bei Sonnenschein.

Karibik? Nein, Irland! Der Blick hinab in die Keem Bay ist atemberaubend, vor allem bei Sonnenschein. Foto: Mareike Graepel/dpa-tmn

Achill Island Irlands größte Insel wartet mit Böll, Bier und Bailey

Schon Heinrich Böll war fasziniert von Achill Island. Neben typisch rauem Wetter und einer Menge Schafe findet man hier auch Dinge, die man so nicht von Irland erwarten würde.

1957 schrieb Heinrich Böll, der große Schriftsteller, in sein «Irisches Tagebuch»: Der Regen sei absolut, großartig und erschreckend. Und: «Diesen Regen schlechtes Wetter zu nennen, ist so unangemessen, wie es unangemessen ist, den brennenden Sonnenschein schönes Wetter zu nennen.»

Viele der Notizen zu diesem Werk hat Böll (1917-1985) auf Achill Island aufgeschrieben, wo sich bis heute viele Menschen noch an ihn erinnern, in den kleinen Inns und Cafés.

Die Insel im Mayo-County, vier Autostunden von Dublin entfernt, ist mit 146 Quadratkilometern die größte vor Irlands Westküste. Sie ist nur über eine spezielle, drehbare Brücke zu erreichen, und oft ist es dort noch etwas kühler und windiger als auf dem Rest der Grünen Insel.

An den Schafen vorbei zur Traumbucht

Wenn dann doch mal die Sonne scheint auf Achill Island, gilt es, alles stehen und liegen zu lassen und nach Keem Bay im Westen der Insel zu fahren, ehe das Wetter umschlägt.

Über eine sich an den Bergen entlang windende Straße fährt es sich mit Blick auf den weiten Atlantik wie an eine versehentlich dorthin gezauberte karibische Bucht: Türkis leuchtet das Meer, weiß liegt der Sand da. Allein die grünen, wilden Wiesen und hohe Felsenklippen ringsherum verraten die wahre geografische Lage.

Diese Postkartenkulisse interessiert die Schafe auf Achill Island freilich wenig. Die Schafe haben immer «Vorfahrt», wenn sie frei und ohne Hektik am Straßenrand grasen oder über die Fahrbahn trotten. Sie sind Woll- und Fleischlieferanten, daher wertvoll und sorgsam zu umfahren. Auch auf der Straße nach Keem Bay.

Dass diese manchmal gesperrt ist, dafür können die Schafe aber nichts. Sondern dann sind entweder der kleine Parkplatz und die Haltemöglichkeiten an der Bucht zu voll. Oder dichter Nebel hat den Berg urplötzlich umhüllt. Was nie bedeutet, dass dieses Wetter für die ganze Insel gelten muss.

Schon wenige Kilometer weiter am Dooagh Beach könnte der Himmel blau sein. Leider gibt es hier gefährliche Strömungen, weshalb dieser Strand nicht zum Baden geeignet ist.

Surfen und Saunieren

Also noch etwas weiter zum Keel Beach (sprich «Kiel»). Er ist drei Kilometer lang und einer der besten Surf-Spots Irlands. Für Anfänger gibt es Kurse bei den lokalen Surfschulen und in den Dünen steht eine Fass-Sauna. Tipp: Bei Flut in die Sauna gehen, dann ist der Weg bis zum Wasser nicht so weit.

Wer die Bilderserien im «Irischen Tagebuch» aufschlägt, sieht Schriftsteller Böll am Keel Beach, manchmal allein, andere Male mit seiner Frau Annemarie und seinen Söhnen Raimund, Vincent und René. Letzterer kommt bis heute gern nach Achill Island.

«Die Jungs waren so anders als alle irischen Kinder, mit ihren Knickerbocker-Hosen, und so ordentlich. Ich habe sieben Brüder und zwei Schwestern, ich weiß, wovon ich spreche», erzählt Liz Barrett, Besitzerin des Bervie, einem hübschen Inn in Keel.

Begegnungen mit Böll

«Heinrich Böll hat Achill geliebt», sagt sie. «Anfangs hat er ein Ferienhaus von meinem Vater gemietet. Manchmal durfte ich die Milch hinbringen.» Nicht ohne Stolz erzählt Barret, dass ihre Mutter, ihre Tante und eine ihrer Schwestern im «Irischen Tagebuch» vorkommen. Von dem Buch steht natürlich ein Exemplar in ihrer guten Stube, dem «front room» des Inns. Neben anderen Werkens Bölls.

«Später hat er ein Cottage gekauft auf der anderen Seite der Insel, zum Golden Strand in Dugort hin», sagt Barrett. Das Haus ist heute ein Ort zum Schreiben, Schriftsteller können sich um eine Residenz dort bewerben - öffentlich zugänglich ist das Cottage nicht.

«Böll war immer sehr jovial, und stets an den Geschichten der Menschen hier interessiert. Er hat oft mit meinem Vater im Molloy’s Pub in einer Nische gesessen, wo ihnen niemand zuhören konnte. Und er hat immer geraucht. Ich habe ihn nie ohne Zigarette gesehen», sagt die Anfang 70-Jährige.

Pint mit Aussicht

Das Molloy's gibt es nicht mehr und das Rauchen in Pubs und Restaurants ist in Irland auch längst verboten. Wer bei einem Pint Guinness eine rauchen möchte, muss also draußen sitzen. Den schönsten Ausblick dafür hat man vor dem Gielty's in Dooagh, dem westlichsten Pub und Restaurant Irlands. Von dort schaut man bis nach Clare Island, wo die berühmte Piratin Grace O'Malley begraben ist.

Für eine typisch irische Stärkung empfiehlt sich das Mastersons in Dugort im Inselnorden mit cremiger Fischsuppe, dem «Chowder», bis zu frittiertem Dorsch mit Pommes, dem klassischen «Fish & Chips».

Alpakas sind klüger als Schafe - sagt der frühere Fischer

Nur ein paar Gehminuten weiter, unten am Wasser am Dugort Beach, steht John McNamara und blickt über die Bucht. «Ein guter Tag für Lachs», sagt er. McNamara war mal Fischer. Heute baut er Heizungen ein und bietet im Sommer Spaziergänge mit Bruno und Bailey an, seinen beiden Alpakas.

McNamara weiß viel über die aus Südamerika stammende Kamelart. «Alpakas sind Herdentiere und fürchten unentwegt, Beute zu sein, deswegen sind sie sehr schreckhaft - ähnlich wie Schafe, nur klüger: Sie pinkeln am liebsten in fließendes Wasser, damit ihre Feinde sie nicht so schnell finden können.» Ein Schaf neben dem Alpaka-Transporter hört zu und blökt - vielleicht empört.

Auch ihre Fell-Fasern seien wertvoller als Schafswolle, sie verfügten über einmalige Thermoeigenschaften, so McNamara. Deswegen macht es den Alpakas offenbar nichts aus, dass der Regen in diesem Moment beginnt, vom Himmel zu stürzen. Und zwar in einer Weise, die einen an Bölls Notizen denken lässt: «absolut, großartig und erschreckend».

Man wähnt sich fast auf Santorini

Noch ein Ortswechsel, wieder zurück nach Dooagh, an die Straße nach Keem Bay. Im Dooagh Shop, einem kleinen Laden mit Café, gibt es Hausgebackenes, Kaffee, Tee und einen Schwatz aufs Haus. «Wo wart ihr heute?», fragt Besitzerin Sarah Lavelle im, den Iren eigenen, entspannten Plauderton, der gleichzeitig echtes Interesse zeigt und dennoch keinerlei Verpflichtung zu einer ausführlichen Antwort aufzwingt.

«Auf den Spuren von Heinrich Böll? Ach, wie schön, mein Vater war mit ihm immer fischen. Ein ganz netter Mann war das, überhaupt keine Starallüren. Dabei ist er ja für Deutschland so was wie William Butler Yeats für Irland, oder?» Ein passender Vergleich allemal, Yeats hat wie Böll den Literaturnobelpreis bekommen.

Lavelle gibt die Becher mit den Getränken über die Theke. «Schönen Abend euch und passt auf euch auf», sagt sie. Draußen kommt die Sonne raus und lässt die vielen weißen Cottages weiß leuchten, als stünden sie auf Santorini.

Ja doch, Böll hat Recht, wenn er schreibt: «Es gibt dieses Irland. Wer aber hinfährt, und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche.»

Fünf Tipps der Autorin für die Zeit auf Achill Island:

- Bei den Oscars 2023 ist die Tragikomödie «The Banshees of Inisherin» trotz neun Nominierungen leer ausgegangen. Der Film - ein bisschen eine Mischung aus Sartre und Tarantino - wurde zum Großteil auf Achill Island gedreht. Wer die Locations abgehen will, folgt dem Banshees of Inisherin Locations Trail, den das lokale Tourismusbüro zusammengestellt hat - oder bucht dort direkt eine Tour.

- Calvey’s Equestrian: Reitstall für Anfänger und Fortgeschrittene. Hier gibt es Strandritte für erfahrene Reiter und Ponycamps für Kids.

- Achill Sea Salt: Im Besucherzentrum des Familienunternehmens gibt es Infos über die Gewinnung des im ganzen Land berühmten Salzes und einen Eiswagen - natürlich auch mit der Sorte «Salted Caramel».

- Achill Aquarium: In dem knallblauen Gebäude stecken jede Menge Informationen über Meer und Küste. Die netten Mitarbeiter erklären gerne, welche Tiere wo und wie leben. Besonders bei Regen einen Ausflug wert.

- Achill Isle Picnics: An den schönsten Orten der Insel bietet das Team von Achill Isle Picnics Outdoor-Dinner an. Ein Traum!

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