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Ein Hauch von Venedig in Brandenburg: Die Spreewald-Gondoliere schieben die Kähne mit Muskelkraft durch die Fließe.

Ein Hauch von Venedig in Brandenburg: Die Spreewald-Gondoliere schieben die Kähne mit Muskelkraft durch die Fließe. Foto: Joachim Hauck/dpa-tmn

Brandenburg Kahnfahrten im Spreewald: Noch fließt es in den Fließen

Geografische Kuriositäten und Gondoliere, die mit Muskelkraft tonnenschwere Boote bewegen - Ortsbesuch in einer einzigartigen Naturlandschaft mit einer ungewissen Zukunft.

Wer zum Suez-Kanal will, muss nicht nach Ägypten fliegen. Eine Reise nach Brandenburg reicht. Keine 100 Kilometer von Berlin entfernt, bei Lübbenau im Spreewald, gibt es ihn auch.

Dort ist er zwar nur 260 Meter lang, einen Meter tief und für Schiffe garantiert unpassierbar. Doch auf dem Papier gibt es keinen Zweifel: Er ist eindeutig als Suez-Kanal im Stadtplan verzeichnet.

Vermutlich hat einst ein Spaßvogel dem Kanälchen seinen ungewöhnlichen Namen verpasst - nachdem dort eine Sperre entfernt worden war und wohl in Anlehnung an die Suez-Krise am großen Kanal in Ägypten Mitte der 1950er Jahre.

In Kähnen durch die Fließe

Eigentlich heißen die Kanäle im Spreewald ja Fließe. Rund 1500 Kilometer lang ist das Wassergeflecht des Spreewalds, knapp 300 Kilometer davon sind mit Booten befahrbar. In denen drängeln sich Touristen aus aller Welt - in Lübbenau oder dem nahen Burg, wo Dirk und Tino Meier seit 23 Jahren den Spreehafen Burg betreiben.

«Schon als Kinder waren wir jede freie Minute an den Fließen», erinnert sich Dirk Meier, «im Winter beim Schlittschuh laufen und im Sommer auf den Kähnen.»

Damals waren Touren durch den Spreewald noch ein ziemlich unorganisiertes, eher zufälliges Unterfangen. «Da hat man sich einen Bauern aus der Umgebung gesucht, der gerade Zeit hatte», erzählt Dirk Meier. «Der hat vielleicht ein paar Stullen als Wegzehrung eingepackt und seine Gäste ins eher unbequeme Boot verfrachtet.» Die Fahrt war Schwerstarbeit. Die massiven Kiefernholzkähne per Hand durch die Fließe zu staken, kostete jede Menge Kraft.

Ohne Muskelkraft geht nichts - «ein geiler Job»

Die schweren Holzboote von einst haben die Meiers zwar längst durch acht dreimal leichtere Aluminium-Kähne ersetzt, doch die Muskeln der Bootsmänner sind noch immer gefordert. Dreieinhalb Tonnen schiebt ein Fährmann durch die Fließe, wenn sein Boot voll besetzt ist.

«Bei Strömung haut das ganz schön rein», sagt Gondoliere Basti, der uns durch die Fließe stakt. Er ist mit Leidenschaft bei der Sache und mag sich trotz aller Anstrengung keinen anderen Job vorstellen. «Mit zwei Kilometern pro Stunde lautlos durchs Wasser zu gleiten, ist einfach ein geiler Job.»

Das hat schon Dichter Theodor Fontane anerkannt, der vor 140 Jahren ein ungleich feinsinnigeres, gleichwohl begeistertes Loblieb auf die Kahnführer textete: «Und dass dem Netze dieser Spreekanäle nichts von dem Zauber von Venedig fehle, durchfurcht das endlos wirre Flussrevier in seinem Boot der Spreewalds-Gondolier.»

Mit bis zu 35 Kollegen arbeitet Basti in der Hochsaison zusammen. Die meisten haben eine Art «Fährmannschule» besucht. Und sie können die dort gelernten Tricks und Kniffe gut gebrauchen, wenn sich bei Strömung mehrere Kähne begegnen und die Passagiere sicher durch Engstellen geschleust werden müssen. Alles in Handarbeit wohlgemerkt, denn mit Motor wird im Spreewald nur bei Hochwasser gefahren.

Luxus auf dem Fließ und Ausfahrten mit Kamin an Bord

Inzwischen läuft der Bootsbetrieb im Vergleich zu den bäuerlichen Anfängen perfekt organisiert. Wer den Spreewald kennenlernen möchte, kann Zwei-Stunden-Touren oder Halbtagesausflüge machen. Statt ein paar Stullen gibt es auf Wunsch Fahrten mit Gaststätten-Stopps.

Wer mag, kann sich in einem «Kahn der Sinne», auf Polstern liegend, ganz entspannt durch die Fließe treiben lassen oder den Spreewald im Mondschein genießen. Selbst im Winter gibt es Fahrten, dann flackern auf den Booten kleine, wärmende Ethanol-Kamine.

Wer Glück hat, begegnet unterwegs Menschen in schöner und doch ungewohnter Tracht: Es sind Angehörige des sorbischen Volks - den Nachfahren der slawischen Stämme, die sich im 6. Jahrhundert hier im Spreewald ansiedelten. Rund 60 000 Sorben leben noch heute in Teilen Brandenburgs und Sachsens.

Schutz vom Schlangenkönig täte Not

Präsent ist die Minderheit: Wegweiser und Ortsschilder rund um die Spreewald-Gemeinden sind zweisprachig, sorbische Traditionen auch bei Bootsfahrten durch die Kanäle unübersehbar. So sind beispielsweise an den Giebeln vieler Häuser gekreuzte Schlangenkörper zu sehen: Symbol des «Wuzowy Kral», des Schlangenkönigs, der Böses von den Bewohnern fernhalten soll.

Seinen Schutz kann auch der Spreewald brauchen, denn in Folge des Klimawandels ist das Wald- und Wassergebiet von Austrocknung bedroht. Mit Folgen nicht nur für die berühmten Spreewaldgurken, die feuchtes Klima lieben und viel Wasser brauchen, weil sie zum größten Teil ja selbst aus Wasser bestehen. Die Sommerniederschläge gehen merklich zurück, bei steigenden Temperaturen wird künftig noch mehr Wasser verdampfen - Folge: Die Wasserstände sinken.

Hinzu kommt, dass ein großer Teil des Spreewassers, aus dem das Biotop, aber auch die Hauptstadt Berlin versorgt werden, aus den Lausitzer Braunkohle-Tagebauen kommt. Grubenwasser wird in den Fluss gepumpt, damit die riesigen Kohlebagger im Trockenen stehen. Ab 2028 aber wird das im Zug des Braunkohle-Ausstiegs schrittweise auf null reduziert - ein weiterer, harter Schlag für den Spreewald.

Niedrigwasser in den Fließen macht den Bootsleuten schon jetzt zu schaffen. Wenn es im Sommer so richtig heiß ist und Regen ausbleibt, sind kleinere Nebenkanäle schon nicht mehr befahrbar. Dann sind nur noch Touren durch die Hauptschlagadern des Spreewalds möglich.

Service

Reiseziel: Der Spreewald liegt zwischen Berlin und Dresden. In Folge der letzten Eiszeit entstand hier am Spreelauf eine Auenlandschaft mit einem dichten Netz kleiner Fließgewässer. Die Flusslandschaft zählt als Unesco-Biosphärenreservat.

Anreise: Etwa mit dem Regionalzug nach Lübbenau oder mit dem Auto über die Autobahnen A 13 und A 15.

Spreehafen Burg: Die Kähne fahren das ganze Jahr über. In der Hauptsaison vom 1. April bis 31. Oktober mehrmals täglich, in der Nebensaison vom 1. November bis 31. März in der Regel zweimal am Tag. Die Touren kosten zwischen 15 Euro für eine Stunde bis 50 Euro für ein 5-Stunden-Arrangement mit Essen. Mehr Informationen unter www.spreehafen-burg.de

Auf der Seite des Tourismusverbands Spreewald finden sich noch viele weitere Anbieter: www.spreewald.de/aktivitaeten-karte/kahnfahrten

Auskünfte:

Tourismusverband Spreewald, Raddusch, Lindenstraße 1, 03226 Vetschau/Spreewald (Tel.: 035433/5810; Web: www.spreewald.de; E-Mail: )

Spreewald-Touristinfo Lübbenau, Ehm-Welk-Straße 15, 03222 Lübbenau (Tel.: 03542/887040; Web: www.luebbenau-spreewald.com; E-Mail: )

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