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Flaches Land braucht keine hohen Türme: Von dieser Aussichtsplattform in der Esterweger Dose reicht der Blick weit in die Ferne.

Flaches Land braucht keine hohen Türme: Von dieser Aussichtsplattform in der Esterweger Dose reicht der Blick weit in die Ferne. Foto: Bernd F. Meier/dpa-tmn

Niedersachsen Saterland: Die Sprachinsel im Moor

Unweit von Papenburg, mitten im Moor, haben die Menschen ihre eigene Sprache: Saterfriesisch. Besucher nähern sich dem einsamen Landstrich radelnd und bei einer Fahrt mit dem Moorgucker.

Waren Sie schon mal in Roomelse, Seedelsbierich, Skäddel oder Strukelje? Nie gehört? Das muss Sie nicht wundern, denn so heißen die vier Orte auf Saterfriesisch.

Eine Sprache, die von weniger als 2.000 Menschen gesprochen wird, in einer kleinen Sprachinsel im Moor im Nordwesten Deutschlands. Auf Hochdeutsch heißen die Orte Ramsloh, Sedelsberg, Scharrel und Strücklingen. Sie bilden die Gemeinde Saterland mit 14.000 Einwohnern im äußersten Zipfel des Oldenburger Münsterlands. Saterland liegt rund 30 Kilometer östlich von Papenburg, wo die großen Kreuzfahrtschiffe gebaut werden.

Saterfriesisch gilt heute als die kleinste Sprachminderheit in Deutschland, möglicherweise in Europa. Das haben sie schriftlich, durch den Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde im Jahr 1991.

Aber die Historie ist natürlich viel länger: «Gehen wir viele Jahrhunderte zurück», ermuntert Henk Wolf, den wir im Saterländer Rathaus treffen. Der Linguist ist wissenschaftlicher Beauftragter für Saterfriesisch und kennt die Geschichte des Landstrichs.

Wie die Sprache kam - und fast wieder verschwand

Ab etwa 1277 übersiedelten Menschen, die durch Sturmfluten heimatlos geworden waren, von der Nordseeküste auf die höher gelegene Sandinsel und brachten ihre friesische Sprache mit, erzählt er. Auf dem rund 20 Kilometer langen und bis zu vier Kilometer breiten Geestrücken waren die Siedler geschützt, doch abgeschnitten von der übrigen Welt - links das weite Westermoor, zur rechten Seite das Ostermoor.

Noch bis ins 19. Jahrhundert waren die Siedlungen im Saterland nur mit kleinen Booten über das Flüsschen Sagter Ems erreichbar. Durch diese Abgeschiedenheit blieb die saterfriesische Sprache erhalten. «Ab den 1950er Jahren wurde die Sprache zurückgedrängt», so Wolf. Kinder wuchsen überwiegend nicht mehr muttersprachlich mit dem Saterfriesischen auf. Wer etwas auf sich hielt, redete Hochdeutsch.

Dabei ist Saterfriesisch der letzte überlebende Bestandteil der ursprünglichen Ostfriesen-Sprache. «Was die Feriengäste heute in der Region zwischen Aurich und Emden, Leer und Wittmund bei Einheimischen hören, gilt als niedersächsischer Dialekt mit friesischen Sprachanteilen», erklärt Menno Ehme Aden, der aus Leer kommt und das Buch «Über die friesische Sprache» geschrieben hat.

Im Saterland kam laut Linguist Henk Wolf ab dem Jahr 2000 die Wende. Vermehrt wollten junge Saterländer wieder so sprechen wie Oma und Opa. Seit 2010 werden um die 400 Schülerinnen und Schüler wieder in der Sprache ihrer Heimat unterrichtet. Überdies treffen sich Alt und Jung zu Konversationskursen mit Wolf und der pensionierten Lehrerin Johanna Evers vom rührigen Heimatverein Seelter Buund.

Urlauber im Saterland konnten einst bei launigen Sprachkursen das Diplom Seelter Tjuuchnis (Saterländer Zeugnis) erwerben. Doch dann kam die Pandemie und der Spaß hatte ein Ende.

Eine Radtour durchs Moor

Fremden erschließt sich das platte, weite Land abseits aller Touristenmassen erst auf den zweiten Blick; die Ruhe unter dem hohen Wolkenhimmel entschleunigt. «Slow travel» sagen sie dazu anderenorts. Die Annäherung ans Saterland gelingt am besten bei einer Fahrradtour über die Moorerlebnisroute. 100 Kilometer lang ist die gut gekennzeichnete Rundstrecke.

«Zwei oder besser drei Tage sollte man sich dafür Zeit nehmen», rät Gästeguide Hans Bunger. Proviant und Getränke hat man besser genügend dabei, denn in den Dörfern gibt es nur wenige Gaststätten. Bäckereien haben zur Mittagszeit geschlossen.

Auf vielen Kilometern führt die Radstrecke vorbei am Saterländer Westermoor, das zur Esterweger Dose gehört. Das Naturschutzgebiet mit einer Fläche von fast 50 Quadratkilometern ist eines der größten Hochmoore in Kontinentaleuropa.

Zu einem düsteren Kapitel deutscher Geschichte führt die Fahrradroute, als sie die Gedenkstätte Esterwegen passiert: Dort wird an die 15 Barackenlager des Nazi-Regimes in der Region erinnert, in denen Schätzungen zufolge zwischen 1933 und 1945 mehr als 20 000 Menschen umgekommen sind. Hölle im Moor wurden die Lager genannt.

Mit dem Moorgucker auf rumpeligen Gleisen

Nachdenklich und berührt kommen die Radtouristen von Esterwegen aus nach Bockhorst zur Jammertalstraße. Der Name deutet auf das harte Leben der Bewohnerinnen und Bewohner in der Gegend hin.

Auch heute noch ist die Arbeit im Moor eine Plackerei, obwohl Maschinen beim Torfstich helfen. «Doch mehrmals müssen die einzelnen Torfsoden zum Trocknen per Hand umgeschichtet werden», sagt Ludger Thedering vom Torfwerk Moorkultur in Ramsloh.

Thedering ist Gäste- und Lokführer. Auf rumpeligen Gleisen fährt er Gäste mit der Moorbahn Seelter Foonkieker - übersetzt: Saterländer Moorgucker - ins Westermoor.

Thedering berichtet vom Wachsen und Werden des Moores, von der Torfgewinnung und Verarbeitung und weiß auch etwas über die acht himmelstürmenden Sendemasten der Marinefunksendestelle Rhauderfehn gleich daneben zu erzählen: Wie hoch die Türme seien, fragt Thedering die Gäste. 150 Meter, 200 Meter, 230 Meter? Alles falsch. 352,8 Meter ragen die rot-weißen Masten in die Höhe, es sind die zweithöchsten Bauwerke in Deutschland - nach dem Berliner Fernsehturm.

Eine kleine Portion Saterfriesisch

Wer noch tiefer in die Geschichte der Gegend einsteigen will, besucht an der Moorerlebnisroute das Moor- und Fehnmuseum in Elisabethfehn. Torfmaschinen sind dort zu sehen; Saterfriesisch ist an einer Audiostation zu hören, gesprochen von der Schülerin Maja.

Sie sagt: «Seeltersk is een froaie Sproake. Bloot do Ljude hier in’t Seelterlound konnen ju noch bale un ferstounde. Iek bän bliede, dät iek ju fon min Babe leerd häbe.» Bitte, was, mögen Sie fragen?

Wir übersetzen mal. Maja sagt: «Saterfriesisch ist eine schöne Sprache. Nur die Menschen im Saterland können sie noch sprechen und verstehen. Ich freue mich, dass ich sie von meinem Vater gelernt habe.» Wer würde ihr widersprechen?

Saterland

Reiseziel:
Saterland liegt im Oldenburger Münsterland, etwa auf halbem Weg zwischen Papenburg und Oldenburg. In Saterland lebt eine der kleinsten Sprachminderheiten Europas: Weniger als 2000 Bewohner sprechen Saterfriesisch (Seeltersk). Die einsame Landschaft wird geprägt durch weite Moorflächen und Fehnkanäle.

Anreise mit der Bahn:
Zum Beispiel von Bremen mit dem Regionalexpress bis Apen-Augustfehn, von dort weiter mit dem Bus bis Saterland.

Informationen:
Erholungsgebiet Barßel und Saterland, Theodor-Klinker-Platz 1, 26676 Barßel (Tel.: 04499 / 938080; E-Mail: ; Internet: www.barssel-saterland.de)j

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