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Toledo, die einstige Hauptstadt Kastiliens

Toledo, die einstige Hauptstadt Kastiliens

SpanienSehenswürdigkeiten in Toledo und La Mancha

Wenn sich die Sommerhitze legt, ist die Region zwischen Madrid und Valencia ein lohnendes Reiseziel mit spannenden Entdeckungen.

Im Sommer liegt eine flirrende Hitze über La Mancha, die schon Cervantes‘ Don Quijote die Sinne trübte. Doch wenn man wartet, bis es hierzulande grau und ungemütlich wird, beginnt die perfekte Zeit, um die geschichtsträchtigen Orte und weiten Ebenen im Zentrum der Iberischen Halbinsel zu entdecken.

Einer der schönsten Plätze, sich darauf einzustimmen, ist auf der Terrasse des Paradors von Toledo. Auf einem Hügel direkt gegenüber der spanischen Bilderbuchstadt liegt das Hotel und bietet genau die Aussicht, die der berühmte Renaissance-Maler El Greco Ende der 1590er-Jahre als »Blick auf Toledo« auf seine Leinwand malte und das heute im Metropolitan Museum of Art in New York hängt. In 450 Jahren sind etliche Gebäude dazu gekommen, doch die markante Silhouette mit dem mächtigen Alcázar und der hinter Sevilla zweitgrößten Kathedrale des Landes prägt das Bild – und gibt den historischen Hintergrund für die Erinnerungen heutiger Tage: Selfies.

25 Minuten sind es im Schnellzug von Madrid nach Toledo. 25 Minuten, die einem wie eine Zeitreise erscheinen, sobald man durch das Gassengewirr der einstigen Hauptstadt Kastiliens schlendert. Das ist so eng und verwinkelt, dass man es seit jeher nur zu Fuß entdecken kann. Dafür wird man mit Stadtansichten wie in einem kunsthistorischen Museum belohnt. Und das en passant. Da ist der Modeladen, durch dessen Glasfußboden man beim Stöbern auf römische Fundamente schaut. Der Keramikproduzent, der das typische Steingut in den kräftigen Farben im Gewölbe aus dem 11. Jahrhundert präsentiert, und die San-Vincente-Kirche am gleichnamigen Platz. »Meine Lieblingskirche, fast jeden Abend komme ich hierher«, betont Stadtführerin Gloria und öffnet ihren Gästen die schweren Türen zu einem Kino- und Theatersaal mit besonderem Ambiente – und einer gut sortierten Bar für den abendlichen Aperitif. Dort erzählt sie von der ersten Blüte der Stadt in frühchristlicher Zeit, von der Erhebung zur Hauptstadt unter den Westgoten und der Rolle als militärischer Vorposten in Zeiten der Reconquista. Das strategisch günstig gelegene Toledo auf einem Felsen über der tief eingeschnittenen Flussschleife des Tajo sei immer geistiges Zentrum, Schmelztiegel der Religionen und Kulturen und ein Ort der Wissenschaft, Astronomie und Künste gewesen. Heute steht es unter dem Schutz der Unesco und vermittelt den Eindruck einer Spielzeugstadt.

Nicht weit hinter der Stadt beginnt die Weite. Olivenhaine gehen in Weingärten über. Später kommt Getreide, das golden auf den Feldern steht. Die Besiedelung wird zusehends dünner. 27 Einwohner kämen in La Mancha auf den Quadratkilometer, erzählt Carmen, die hier geboren ist. Im Vergleich dazu leben in Spanien durchschnittlich 95. So braucht es nicht viel Fantasie, um in die Vergangenheit einzutauchen. Erst recht nicht an einem Ort wie Santa María de Melque. Hinter San Martín de Montalbán schlängelt sich die Straße ins Nirgendwo, um auf dem Parkplatz vor einem kleinen Gebäudekomplex zu enden. Es ist ganz still. Nur Vogelgezwitscher und Taubengurren. Unter einem knorrigen Olivenbaum sitzen Kaninchen. In der Eremitage kein Mensch. Dafür nimmt eine besondere Atmosphäre die Besucher gefangen. Vor allem in der Kirche mit dem über Jahrhunderte schief getretenen Fußboden. Man sagt, sie sei auf einem sehr energiereichen Platz gebaut. Ein kleines Kreuz markiert das Zentrum dieses Kraftplatzes, der im Mittelpunkt eines einst lebhaften Ortes stand. Mit einem Brunnen innerhalb der wehrhaften Mauern und großen Ländereien davor war Melque immer unabhängig. Dazu kam der Wohlstand durch Zolleinnahmen auf königlichen Viehwegen.

Spanische Serengeti sagen die Einheimischen zum Naturpark Cabañeros. Und auch wenn die Tiere, die Besucher hier zu sehen bekommen, eine Nummer kleiner sind als die Big Five, ist der Vergleich angebracht. Während die Nachmittagssonne immer tiefer sinkt, äsen große Gruppen Rotwild im strohig gelben Gras. Pisten mit tiefroter Erde lassen Safaristimmung aufkommen. Den Jeep in die Wildnis lenkt Mike, Wissenschaftler aus Irland, der in der Mancha hängen geblieben ist und mit großer Begeisterung die Augen von Fremden auf die Besonderheiten der Dehessa-Landschaft lenkt. »Auf sehr engem Raum gibt es sehr viel zu sehen«, schwärmt er und erzählt von 120 Vogelarten, den sattgrünen, mit duftenden Blumen und Blüten übersäten Frühlingsmonaten und den Feierlichkeiten zu Pietrasanta, mit denen sie hier den Sommer begrüßen. Immer wieder hält er an, deutet auf wilde Orchideen oder den Fuchs am Horizont. Mit dem mitgebrachten Fernrohr ist man direkt dabei, wenn Familie Geier weit oben in den Felsen ihre Jungen füttert, indes das bloße Auge genügt, um eine Gruppe Rebhühner im Gänsemarsch durchs hohe Gras spazieren zu sehen. Unspektakuläre Tiere. Und doch kann man sich nicht satt sehen.

Dass es noch eindrucksvoller geht, dafür sorgt Jesus. Beruflich arbeitet er als Offshore-Ingenieur in aller Welt. Seine Leidenschaft sind die Lüfte. »Ich fliege alles mögliche«, erzählt der bärtige Hüne an diesem Herbst-Samstag in der Morgendämmerung. Vor den markanten Überresten von Calatrava la Nueva macht er seinen Heißluftballon startklar und noch ehe die Sonne richtig aufgeht, hebt sich der Korb mit den Passagieren unter dem Fauchen der Gasflamme in die Luft. Schnell liegt das Castel zurück und Jesus erzählt von unterirdischen Gängen, die es mit einer Burg an der gegenüberliegenden Talseite verbanden. Von oben schaut das Land kariert aus. Olivenbäume ziehen das Muster. Dazwischen ab und zu ein kleiner Hof und immer wieder Wild. Wo es rennt, hört man in der Morgenstille die Huftritte. Ab und zu aus der Ferne ist das Bellen eines Hundes zu hören. Mitten in diesem einsamen Land senkt sich der Ballon auf ein gepflügtes Feld. Es dauert eine Weile, bis das Begleitfahrzeug die Passagiere wieder zurück in den Alltag bringt. Und selbst Stunden später beim Bummel durch das lebhafte Valdepeñas, wo einem als dürre Bronzestatue im Hotel auch Don Quijote erstmals begegnet, bleiben immer noch diese Bilder von unendlicher Weite und Einsamkeit.

Weitere Informationen:

Spanisches Fremdenverkehrsamt Frankfurt/Main, Myliusstr. 14, 60323 Frankfurt, Tel. 069-725033, spain.info Turismo Castilla – La Mancha, Avenida de Irlanda 14, 45071 Toledo, Tel. 0034-925-248816, turismocastillalamancha.es Nationalpark Cabañeros, unterschiedlichste, mehr oder weniger aktive Touren zur Wildbeobachtung, aventurascabaneros.com

Unterkünfte: Hotel Pintor El Greco, Alamillos del Tránsito13, 45071 Toledo, Tel. 0034-925-285191, hotelpintorelgreco.com; familiär geführtes, individuell gestaltetes Haus am Rande der historischen Altstadt. Parador de Toledo, Cerro del Emperador, 45002 Toledo, Tel. 0034-925-221850, parador.es/de/paradores/parador-de-toledo; gediegenes Haus, Pool mit Aussicht, auf dem der Altstadt gegenüberliegenden Hügel. Cigarrales sind für Toledo typische Hotels und Restaurants in schön gelegenen Landsitzen, hotelcigarrales.com

Restaurant:
Casa Parrilla, Avenida de Toledo 1, 45127 Las Ventas Con Peña Aguilera, Tel. 0034-925-418207, casaparrilla.es; modern interpretierte Traditionsgerichte kombiniert mit regionalen Weinen

Tipp:
Las Ventas con Peña Aguilera ist bekannt für Schuhe, Taschen und hochwertige Lederwaren, die in mehreren Läden entlang der Hauptstraße angeboten werden.

(29.08.2018, srt)

 

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