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Ein kleiner Hafen abseits vom Touristenrummel

Ein kleiner Hafen abseits vom Touristenrummel

Foto: alanlpriest, Flickr

TÜRKEI Der unentdeckte Süden in der Türkei

Himmel und Hölle sind Nachbarn. Vor allem aber die türkischen Kosenamen der Korykischen Grotten. Die »Hölle« misst 128 Meter Tiefe. Der Durchmesser der kupferrot, schwarz gesprenkelten Felsengrotte beträgt 50 Meter und gegenüber erstreckt sich der 100 Meter ins Erdreich klaffende, üppig mit Grün aufgefüllte »Himmel« - über eine Länge von 200 Metern.

Unweit der Küste, bei Narlikuyu, fand die altgriechische Mythologie der Schönheitsgöttin Aphrodite ihren Anfang, erzählt Reiseleiter Davut. 290 Stufen führen hinunter in die Tiefe zu einer kleinen christlichen Kapelle. Wer gut hinhört, der vernimmt das Rauschen des unterirdischen Flusses. Aber: »Die Zeit drängt«, entschuldigt der Reiseführer, denn außer Naturschönheiten, können in Kilikien noch 200 antike und für die Geschichte des Christentums bedeutende Stätten besucht werden.

Die Küstenregion am Mittelmeer zwischen Anamur und Antakya ist touristisches Neuland. Im Spätherbst 2010 wird der Ausbau, des seit Mai auch von deutschen Fliegern frequentierten Flughafens Hatay abgeschlossen sein. In Antakya, am südöstlichsten Ende der Region, beginnt die Reise durchs Archäologische Museum: Jahrtausend alte Mosaike, Sarkophage und Amphoren ziehen Kultur interessierte in ihren Bann. Nicht minder spannend ist der historische Stadtkern des antiken Antiochias. Aufbruchstimmung macht sich breit. Seit 2009 ist die Visa-Pflicht zwischen Syrien und der Türkei obsolet, arabische Geschäftsleute und kurdische Familien mehren den Reiseverkehr. Der Türke Selçuk Tokdemir hofft jedoch auf europäische Touristen. Sein Projekt Soterya -»Erneuerung« - steht für sie bereit: Ein über 100 Jahre altes, heraus geputztes Haus. In Handarbeit erstellte Qualitätstextilien oder schmucke Brettspiele bieten Selçuks Helferinnen in den Lädchen im Innenhof feil. Orangenbäume spenden Schatten, Holzbänke mit orientalischen Kissen laden ein - zum heißen Çay mit viel Zucker.

Ganz nah: die katholische Kirche von Antakya, die dem Wirken des Apostels Paulus gewidmet ist. Er verhalf dem Christentum zum Durchbruch in Anatolyen. Oben am Stadtberg finden Urlauber derweil die älteste Kirche der Christenheit. Auf dem schmalen Plateau vor der nunmehr seit 2000 Jahren religiös belebten St. Petrus-Höhlenkirche, sammeln sich Pilger, ein mit saftigem Gras und Olivenbäumen bewachsener Hang eröffnet das Panorama auf das Flusstal. Moran Mor I. Ignatius Zekka Ayva predigt im Blitzlichtgewitter in aramäischer Sprache. Er ist der Patriarch von Damaskus, das Oberhaupt der Asyrisch Orthodoxen Kirche, dessen Vorgänger bis 1939 in Antiochia residierten. Die neue Reisefreiheit ermöglicht die Heimkehr zur alten Stätte, deren Eingang mittelalterliche Kreuzfahrer mit einem imposanten steinernen Portal versehen haben.

Weiter geht's, ins idyllisch gelegene Örtchen Harbiye vor den Toren Antakyas. In einem großen Restaurant über der bewaldeten Daphne-Schlucht werden Köstlichkeiten der Region serviert. Gegrillte Hähnchen, riesengroße Fladenbrote, Joghurtsoßen, volle Salatplatten und Süßes aus Honig, Pistazien und feinen Nudeln munden auch den zumeist türkischen Touristen. Wie weiße Zöpfe rauschen die Wasserfälle von Daphne den überwucherten Steilhang hinunter, dazwischen haben weitere Restaurants und Souvenirläden ihre Nischen gefunden. Wasser plätschert, gefiedertes Vieh turtelt und Davut sagt: »Der Lorbeer hat hier seinen mythologischen Ursprung als Siegerkranz.« Im Naherholungsgebiet, am Südausläufer des mächtigen Taurusgebirges, gedeihen Lorbeer-, Eukalyptus- und Eichenbäume prächtig. Auf der schlichten, aber idyllisch platzierten Einkaufsmeile kaufen die Gesättigten im Anschluss Tand aus Plastik oder Wertvolles aus Seide ein. Die Tour gewinnt an touristischer Dramatik. Davut ruft erneut zur Weiterfahrt Nordwestlich liegt Tarsus, der Geburtsort von Paulus. Neben archäologischen Schätzen biblischen Ausmaßes und schmucken Gassen, bietet Tarsus tosende Wasserfälle - ebenfalls mit gastronomischer Anbindung.

Tags darauf steht - nach Himmel und Hölle - eine weitere Dolide im Mittelpunkt: Am Rande der 60 Meter tiefen, kreisrunden Senke von Kanlidivane, thronen der hellenische Turm, die Basilika oder die antike Markthalle am historischen aufgeladenen Ort. In Scharen reisen die Touristen nicht an: »Dabei hat die Schatzkammer Kilikiens so viel zu bieten«, weiß Davut und führt zur nahen, sehenswerten Nekropole von Aba. Ein Höhepunkt archäologischern Fundorte.

30 Kilometer weiter stoßen Reisende auf die antike Stadt Elaiussa-Sebaste: Das Theater bietet den freien Blick aufs Meer, antike Bäder, Tempel und Wohnhäuser bleichen in der heißen Sonne: »Ephesus ist nichts dagegen«, sagt der kunstbegeisterte Guide inmitten der Obsthaine und gelben Sandsteinbauten. Das bei türkischen Touristen beliebte Kizkalesi mit dem Blick auf die im azurblauen Wasser ruhende »Mädchenburg«, ist schnell erreicht. Moderat quirliges Strandleben herrscht, doch eine Bucht weiter westlich führt Davut in eine stille Bucht. Das Süßwasser des unterirdischen Flusses des Himmels fließt hier bei Narlikuyu ins östliche Mittelmeer und sammelt sich als glasklare Flüssigkeit auf der salzigen Oberfläche. Enten schwimmen, ein Fischer richtet sein Ruderboot her und der herzliche Kellner serviert frischen, auf Holzkohle gegrillten Rotbarsch. Die Frage an Davut: »Was heißt Narlikuyu auf Deutsch?« Der Türke antwortet: »Der Garten Eden.«

(srt, Robert Niedermeier, September 2010)

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