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Der Castle Butte diente zunächst Indianern, später Outlaws und Polizisten gleichermaßen als Ausguck

Der Castle Butte diente zunächst Indianern, später Outlaws und Polizisten gleichermaßen als Ausguck

Kanada Auf den Spuren der Banditen in Saskatchewan

Gangster wie Butch Cassidy und Krieger wie Sitting Bull suchten einst im rauen Süden Saskatchewans Unterschlupf – in der Region von Big Muddy erzählt man heute noch von ihnen.

Butch Cassidy war da. Dutch Henry versteckte hier gestohlene Pferde. Und Sam Kelly galt in den Big Muddy Badlands als Schrecken aller Rancher. Bankräuber und Schmuggler, Vieh- und Pferdediebe: Den »Promis« des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat man keine Plakette ans Geburtshaus genagelt. Und doch bescheren sie der wilden, einsamen Region im Süden Saskatchewans heute einen kleinen touristischen Boom.

Die Schmelzwasser der letzten Eiszeit formten die grüne, hügelige Landschaft rund um den Big Muddy Creek, dessen breites Tal sich über 55 Kilometer bis nach Montana erstreckt. Schilder weisen zur US-Grenze, die nur noch einen Katzensprung entfernt liegt. Heute ein streng bewachtes Hindernis mit versteckten Kameras in Felsattrappen, war sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts nur eine imaginäre Linie, deren Überschreiten Schutz bot: vor dem Sheriff, der US-Armee und der kanadischen North West Mounted Police – dem Vorläufer der berühmten »Rotröcke«.

Eine achtstündige Tour führt von der Stadt Coronach durch diese Region mit ihrer Wildwestgeschichte. Guide Trish Manske sitzt heute am Steuer des Vans, eine resolute Frau mit scharfer Stimme, die Fakten wie mit dem Schnellfeuergewehr auswirft. »Die Rancher hatten es immer schwer in dem trockenen Land«, sagt sie. Doch wenigstens gibt es heute keine Diebe mehr, wie gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Damals hatten Gangster die Region fest im Griff, der nächste Polizeiposten lag zwei Tagesritte entfernt. Und die Badlands mit ihren zerklüfteten Schluchten und Bergkegeln boten ideale Verstecke.

Trish stoppt am Castle Butte, einem einzeln stehenden Hügel aus Sandstein und Ton, der wichtigsten Landmarke der Region. Er diente zunächst Indianern, später Outlaws und Polizisten gleichermaßen als Ausguck. Beim Besteigen staubt die trockene Erde unter den Füßen, silbrige Salbeibüsche verbreiten ihren herben Duft.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag die Circle Y Ranch im Brennpunkt des Geschehens: 1902 richteten die »Rotröcke« hier einen Posten ein, um die Kriminalität einzudämmen. Die heutige Hausherrin Tamela Burgess forschte jahrelang über die Vergangenheit und schrieb ein Buch darüber. »Die Polizei hat die Gangster überhaupt nicht beeindruckt«, sagt sie.

Die eingeschüchterten Rancher warnten die Outlaws nicht nur, wenn das Gesetz in der Gegend war, sondern hielten sogar ausgeruhte Pferde für sie bereit. Zum Beispiel für den berüchtigten Butch Cassidy, dessen »Outlaw Trail« von Big Muddy über Arizona bis nach Mexiko führte. Oder für Sam Kelly, der schießen konnte wie kein anderer.

Das System der Banditen war einfach: Sie stahlen Pferde in Montana, änderten die Brandzeichen und verkauften sie Ranchern in Kanada. Und umgekehrt! Wurden sie auf frischer Tat ertappt, überquerten sie die Grenze und tauchten in den Schluchten und Höhlen von Big Muddy unter – die Polizei durfte sie nicht über die Grenze verfolgen.

Einer der faszinierendsten Charaktere jener Zeit muss Henry Jauch alias »Dutch Henry« gewesen sein, ein erfahrener Viehdieb. Schon bei seinem ersten Job als Cowboy wurde er gefeuert, weil er »zu locker mit dem Brandeisen umging«. »Er war ein sehr guter Reiter und Lassowerfer – und sehr charmant«, sagt Burgess. Weil Pferdediebstahl ein Saisongeschäft war, machte die Bande regelmäßig Winterurlaub in den USA. Mit Bank- und Zugüberfällen.

Das wichtigste Versteck der Gangster blieb erhalten: Guide Trish Manske steuert den Van zur nahe gelegenen Giles Ranch. »Unbefugte bekommen einen fairen Prozess – und werden dann gehängt«, steht einladend auf einem Schild am Eingang. Am sumpfigen Fluss entlang geht es zu den halb verfallenen Höhlen – eine diente den Outlaws als Stall, eine andere zum Wohnen. Es ist so still, dass man vom nächsten Hügel die US-Flagge der Grenze flattern hört.

Trish fährt weiter auf ein windumtostes Plateau, über das sich Linien aus Steinen erstrecken: das Bild eines Büffels. »Es stammt von den Ureinwohnern, die hier über Jahrtausende lebten«, sagt sie: Lakota, Assiniboine, Blackfoot, Cree. Im Jahr 1876 überquerten nicht weit von hier prominente Asylsuchende die Grenze: Nach dem Sieg über General Custer zog sich Häuptling Sitting Bull mit rund 5.000 Männern nach Kanada zurück, um der Rache der US-Armee zu entgehen.

Damals ritt James Morrow Walsh von der North West Mounted Police alleine ins Lager der Krieger und handelte einen Frieden aus. Mit den Banditen hatten es die Polizisten schwerer: Erst fünf Jahre nach Einrichtung des Postens zeigte ihre Präsenz Wirkung. Der skrupellose Sam Kelly lieferte sich selbst aus. Er kam jedoch mangels mutiger Zeugen wieder frei und starb im Alter von 76 Jahren.

Was aus Dutch Henry wurde, konnte Tamela Burgess nicht herausfinden: »Bei der Recherche bin ich auf drei verschiedene Dutch Henrys gestoßen. Einer verschwand in Südamerika. Der zweite brach sich das Genick. Der dritte wurde von der Polizei erschossen. Und alle waren Pferdediebe!«

Weitere Informationen:

Anreise: Mit dem Flugzeug in die Provinzhauptstadt Regina, von dort weiter im Mietwagen bis Coronach (230 km, ca. 2,5 h Fahrtzeit).

Touren: Die Stadt Coronach veranstaltet vom Mai bis September Touren verschiedener Länge nach Big Muddy: 3 bis 4 Stunden kosten 30 Euro, 7 bis 8 Stunden 42 Euro, auch Touren mit Privat-Guide sind buchbar, Reservierung unter Tel. 001/306/2673312, coronach.ca

Unterkunft: Das Angebot an Hotels und Restaurants in der Region ist überschaubar, die Zimmer sind meist einfach und rustikal. Einen guten Ruf hat das Canalta Hotel im 65 Kilometer entfernten Assiniboia, Doppelzimmer ab 90 Euro, Tel. 001-306-6421010, canaltahotels.com

Auskunft: Tourism Saskatchewan, Tel. 01805-526232 (0,14 Euro/Min. aus dem dt. Festnetz, max 0,42 Euro/Min. mobil), , tourismsaskatchewan.com

(06.08.2018, srt)

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