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Der Schriftzug verrät das Programm: In «Susis Show Bar» auf der Ecke von Reeperbahn und Großer Freiheit gibt\'s Tabledance.

Der Schriftzug verrät das Programm: In «Susis Show Bar» auf der Ecke von Reeperbahn und Großer Freiheit gibt\'s Tabledance. Foto: Axel Heimken/dpa/dpa-tmn

Städtetrip Hamburg St. Pauli neu entdecken: Eine Tour auf dem Kiez

Kein Besuch Hamburgs ohne einen Abstecher nach St. Pauli. Der Kiez steht für Party, Sünde - aber doch so viel mehr.

Wer bei St. Pauli nur an Reeperbahn, Große Freiheit oder Fischmarkt denkt, denkt an das alte St. Pauli. Denn Hamburgs bekanntester, anrüchigster, lebendigster Stadtteil wandelt sich. Zugleich bleibt er sich treu: bunt, unangepasst und links. Unser Autor war unterwegs und hat abwechslungsreiche Tipps für Ihren nächsten Besuch auf dem Kiez zusammengesucht.

Das Millerntor-Stadion: Heimat der Kiezkicker

St. Pauli liegt über den Daumen gepeilt ziemlich genau im Zentrum Hamburgs. Und das Millerntor-Stadion liegt ziemlich genau im Zentrum von St. Pauli. Für Fans wie Sören ist es ohnehin der Nabel der Welt.

Bei Heimspielen findet man ihn auf der Südtribüne, wo die Ultras stehen. Und Sören führt Besuchergruppen durch das Stadion, das anders ist als viele andere Stadien dieser Welt.

Es ist ein Stadion, das mehr Steh- als Sitzplätze hat. Es gibt das «Piratennest», einen Kindergarten mit Blick aufs Spielfeld, und den «Rabauken-Block», ebenfalls für Kinder. Das «Trockendock I» rühmt sich, «der wohl erste und einzige komplett alkoholfreie Getränkestand im Profifußball» zu sein. Verheißungsvoll!

Man sieht im Stadion wenig Werbung, dafür umso mehr Streetart, Graffiti und politische Botschaften - in großen Buchstaben steht hier: «Kein Mensch ist illegal» oder «Kein Fußball den Faschisten». Verein und Fans gelten als links, wie der ganz Kiez eben.

Die Profis der Kiezkicker waren zwar noch nie Deutscher Meister, aber im Blindenfußball holte der Verein jüngst den Titel. Und auch in der Zweiten Bundesliga gab es in diesem Jahr immerhin einen Titel der besonderen Art: die Auszeichnung für den besten Rasen.

«Panik City»: Hommage an Udo Lindenberg

Wochenlang war Udo Lindenberg in diesem Frühjahr auf Platz 1 der Single-Charts - zum ersten Mal überhaupt in seinem Künstlerleben, gemeinsam mit dem Rapper Apache 207 und dem Lied «Komet».

Dabei war in den fünf Jahrzehnten davor in Udos Leben auch nicht gerade wenig los. Davon kann man sich ein Bild machen bei einer Führung durch die «Panik City» im vierten Obergeschoss des «Klubhauses St. Pauli» am Spielbudenplatz.

Man hört Udo schon im Fahrstuhl aus dem Lautsprecher,er gurgelt mit Eierlikör, «damit die Stimme schön klingt», sagt Petra Roitsch, die Betriebsleiterin, auch «Panik-Petra» genannt.

Es folgt: Ganz wenig Text, ganz viel Interaktion und Multimedia. In der «Panik City» setzt man hier Kopfhörer auf, um im Tonstudio mit Hamburgs jüngstem Ehrenbürger ein Lied aufzunehmen, dort eine Spezialbrille, um direkt neben Udo auf der Bühne zu stehen - alles virtuell, versteht sich. Viele Besucher waren schon zu DDR-Zeiten Fans von Udo und seinem «Sonderzug nach Pankow», sagt Roitsch. Die Stasi notierte damals: «ein mittelmäßiger Schlagersänger der BRD».

Gegen den Hunger: Fisch und Currywurst

Irgendwann kommt er, der Hunger. Und das heißt in Hamburg für viele: Fisch. Den gibt’s gut und günstig bei den Landungsbrücken, hochgelobt hier: «Brücke 10». Stilvoll und kreativ zubereitet genießt man Fisch und Meeresfrüchte in der «XO Seafoodbar», einem Haus des Sternekochs Fabio Haebel, das viel Wert auf Nachhaltigkeit legt (Paul-Roosen-Straße 22).

Und wer ins «Freudenhaus» geht, bekommt nicht nur Fisch, sondern auch «sündiges Fleisch», so jedenfalls sind Roulade und Rumpsteak auf der Speisekarte überschrieben (Hein-Hoyer-Straße 7-9). Der Klassiker zu später Stunde ist die Currywurst. Für viele dann die erste Adresse: «Lucullus», ein hell erleuchteter, bunt blinkender Imbiss schräg gegenüber der Davidwache.

«Schmidts Tivoli»: Das kultige Volkstheater

«Heiße Ecke», so hieß eine legendäre Imbissbude. Nach ihr ist «das erfolgreichste deutsche Musical» benannt, das jedenfalls sagt Corny Littmann, Theaterchef im «Schmidts Tivoli» am Spielbudenplatz, in dem das Stück zu sehen ist. Über 5100 Vorstellungen gab es seit der Premiere am 16. September 2003, also vor ziemlich genau 20 Jahren. Und ein Ende ist nicht abzusehen.

«Schräg, schrill und nicht kinderkompatibel» sei das Stück, sagt Littmann, «ein Kaleidoskop des Lebens auf St. Pauli». Das neunköpfige Ensemble schlüpft in über 50 Rollen, von der Dragqueen über die Frau von der Heilsarmee bis hin zu den Pinneberger Jungs auf Junggesellenabschiedstour. Es ist eine flotte Abfolge von Szenen, mit Gags, Schoten, Schenkelklopfern. Das Publikum geht mit, raunt, johlt. Und ist ganz gerührt, wenn ein altes Paar «Can’t Help Falling in Love» anstimmt.

Klar, dass es auch hier eine Currywurst gibt, denn es ist ein Verzehrtheater, wie viele der 30 oder 40 Spielstätten, die es früher auf St. Pauli bis zu den Bombennächten 1943 gab. Und am Ende geht man raus und denkt: Habe ich den Typen da nicht eben gerade auf der Bühne gesehen?

«Park Fiction»: Der Balkon von St. Pauli

Der Antonipark, im Volksmund nur «Park Fiction», liegt an einem Elbhang, der eigentlich bebaut werden sollte. Um das zu verhindern, taten sich Menschen aus dem Viertel und aus der Kunstszene zusammen und entwarfen diese grüne Oase, für manche auch der «Balkon von St. Pauli».

Man mache es wie die St. Paulianer, hocke sich auf eine der Grünflächen, zum Beispiel die Insel mit den stählernen Palmen, und genieße den Blick auf Elbe und Hafen, im Rücken die St. Pauli Kirche und die früher so umkämpfte Hafenstraße.

Neue Bars: Aperitif und Cocktails

An kaum einem anderen Ort in Deutschland gibt es eine solche Dichte an gastronomischen Betrieben. Was also macht der geneigte Besucher? Er zieht von Kneipe zu Kneipe, von Cocktail- zu Karaokebar. Und hofft, dass er reinkommt, was mitunter gar nicht so einfach ist. Auf der Reeperbahn nachts um halb eins kann es eng werden, zumal an Wochenenden und in «lauschiger Nacht», wie Hans Albers in seinem einschlägigen Lied sang.

Dann lautet der Tipp: Die B-Lagen abseits des großen Trubels aufsuchen. Etwa die Aperitivo-Bar «Standard» am Ende der Großen Freiheit, in der zum Aperol Spritz oder Negroni gratis kleine, überwiegend vegane Snacks gereicht werden. Oder den «Chug Club» an einer Ecke der Hopfenstraße - ausgerechnet, denn hier hat man sich nicht dem Bier, sondern vor allem dem Tequila verschrieben.

Chugs sind Mini-Cocktails, «man hat also die Chance, die Dinge durchzuprobieren», sagt Barfrau Bianca Fricke und empfiehlt für den Anfang ein Gläschen «Buttermilch Margarita». Dass man sich in St. Pauli auf alte Vorstellungen verlassen würde - das lässt sich nun wirklich nicht behaupten.

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