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Von Zypressen gesäumte Alleen hinauf zu malerischen Landgütern sind typisch für die Toskana.

Von Zypressen gesäumte Alleen hinauf zu malerischen Landgütern sind typisch für die Toskana. Foto: Hilke Segbers/dpa-tmn

Weine von Weltruf Wie die «Super Tuscans» die Winzer der Toskana retteten

Die Weinberge des Chianti sind ein florierendes Urlaubsparadies für Genießer. Vor 50 Jahren war das noch ganz anders.

«Super Tuscan» klingt wie die Italo-Version eines Comic-Helden. Wer sich darunter einen Superman mit Tricolore-Umhang vorstellt, sieht sich aber getäuscht. Supertoskaner können nicht fliegen, sehr wohl aber beflügeln.

Dass die Toskana rund um Florenz und Siena wie eine Bilderbuch-Kulturlandschaft aussieht, in der sich Zypressen-Alleen durch Weinberge und Olivenhaine zu imposanten Landgütern hinauf schlängeln, ist auch das Verdienst der sagenumwobenen Tropfen.

Es geht um außergewöhnliche Rotweine von Chianti-Revoluzzern, die von amerikanischen Weinkritikern hochgejubelt wurden: zu «Super Tuscans». Vor 50 Jahren bewahrten diese «Supertoskaner» die kriselnden Winzer der Region vor dem Niedergang und damit die von Landflucht ausgezehrte Gegend vor der Verödung.

Ruf auf dem Tiefpunkt - dann kam die Revolution

Weil die meisten Chiantis damals als billige Zechweine verramscht wurden, lohnte sich ihr Anbau kaum noch. «Der Ruf der Weine und die Preise waren in den 1960er-Jahren auf einem historischen Tief», erinnert sich Albiera Antinori.

Die Geschäftsführerin des Weinimperiums Marchesi Antinori ist die Tochter von Piero Antinori, der den Weinbau in der Toskana - man kann es so sagen: revolutionierte. Im Herzen des Chianti-Gebiets zwischen Florenz und Siena setzte sich Antinori über das geltende strenge Reglement für Chianti-Weine hinweg.

Er reduzierte den damals obligatorischen Anteil von weißen Rebsorten und fügte der vorgeschriebenen Rebsorte Sangiovese allen Widerständen zum Trotz französische Varietäten wie Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc hinzu. Zudem ließ er den Wein in Barriques reifen. Die kleinen Eichenfässer waren in Frankreich und den USA längst geläufig, in Italien zu der Zeit aber völlig unüblich.

Der Weinpapst ebnet den Weg in eine neue Ära

Der neue Rebsorten-Mix und das Holzaroma der Barriques machten den Wein dunkler, runder und zugänglicher. Obwohl Antinori seinen Tignanello genannten Wein 1971 wegen des Weingesetzes nur als einfachen «Vino da Tavola» - also: Tafelwein - deklarieren durfte, wurde er ein Riesenerfolg. Der vollmundige Tropfen traf genau den Geschmack des amerikanischen Weinpapstes Robert Parker.

Parker ebnete nicht nur dem Tignanello den Weg in die Keller zahlungskräftiger Weinliebhaber. Er förderte auch den fast zeitgleich von Antinoris Neffen Marchese Mario Incisa della Rocchetta im Stil eines Bordeaux gemachten Wein Sassicaia.

Schnell folgten andere Winzer dem Beispiel der beiden Vordenker. So wurden auch die klassischen Chiantis besser und erfolgreicher.

«Der Tignanello war ein Meilenstein. Mit ihm und den anderen Super Tuscans begann eine neue Ära im Chianti», sagt Sommelier Alex Bartoli von der Villa La Massa in Florenz. Im Weinkeller dieses Luxushotels stapeln sich die zum Teil einige Hundert Euro teuren Supertoskaner.

Neue Tempel des Weinbaus

Antinori baut seinen Tignanello noch heute auf einem bescheiden wirkenden Gut südlich von Florenz an. Wie eine Kathedrale des Weins wirkt dagegen die neue Zentrale der Firma, die seinen Namen trägt, an der Schnellstraße nach Siena: Antinori nel Chianti Classico.

Die moderne Kellerei von Marchesi Antinori mit Museum, Restaurant und Verkostungsräumen wurde tief in einen Weinberg hineingeschlagen. Edle Tropfen reifen in kirchenschiffartigen Hallen. «Ein heiliger Ort der Stille, ein Tempel des Weinbaus», sagt Architekt Marco Casamonti.

Casamontis Schöpfung ist eine von 14 Kellereien des Netzwerks Toscana Wine Architecture. Die teils futuristisch wirkenden Gebäude wurden unter anderem von Star-Architekten wie Renzo Piano oder Mario Botta entworfen und stehen im Kontrast zu den Meisterwerken aus Gotik und Renaissance in den mittelalterlichen Toskana-Städten. In den für Besuche und Verkostungen offen stehenden Prunkbauten manifestiert sich der wirtschaftliche Aufstieg der Winzer.

Die lange gültige Chianti-Formel des Barons

Auch Baron Francesco Ricasoli gehört nach mutigen Investitionen zu den Gewinnern dieser Entwicklung. Das seit rund 800 Jahren im Besitz der Ricasolis befindliche Castello di Brolio nordöstlich von Siena ist wegen seiner imposanten Burg und der hervorragenden Osteria nicht nur eine Touristenmagnet, sondern auch untrennbar mit der Weinbaugeschichte verbunden.

Hier legte Bettino Ricasoli, der in den 1860er Jahren gleich zweimal für kurze Zeit Ministerpräsident des jungen Italiens war, einst die ursprüngliche Chianti-Formel mit 70 Prozent Sangiovese und je 15 Prozent Anteil zweier Weißwein-Rebsorten fest.

Mehr als 100 Jahre war sie gültig, ist aber inzwischen überholt. Längst muss ins Chianti-Cuvee kein Weißwein mehr, im Chianti Classico ist er jetzt verboten. Dafür wurden neben dem weiterhin dominierenden Sangiovese andere rote Rebsorten als Beimischung erlaubt. Das Ergebnis sind runde und dennoch charakterreiche Rotweine.

Und die Chiantis von Francesco Ricasoli, dem Nachfahren des Schöpfers der überholten Formel, zählen heute zu den besten.

Service: Auf den Spuren der «Super Tuscans»

Anreise: Die Toskana ist von Deutschland aus per Auto oder Bahn am einfachsten über die Gotthard-Strecke durch die Schweiz oder über die Brenner-Route via Österreich zu erreichen. Flugverbindungen gibt es etwa nach Florenz und Pisa, von dort weiter im Mietwagen.

Weingüter: Das Netzwerk Toscana Wine Architecture ist ein Zusammenschluss von 14 Kellereien in der Region. Auf der Website des Netzwerks - www.winearchitecture.it/en (Englisch) - gibt es eine Übersicht, außerdem kann man Touren und Verkostungen buchen.

Aktiv sein: Wer die Toskana mit dem Rad oder zu Fuß auf Wanderungen erkunden möchte, findet auf der Website des Tourismusverbands der Toskana - www.visittuscany.com/de - Ideen und Tourenvorschläge.

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