AIRLINE-PLEITEN Meist wird das Ticket wertlos
Für zahlreiche Urlauber war es eine Schreckensmeldung: Die Fluggesellschaft Hamburg International hat Insolvenz angemeldet. Dem Schrecken folgte die Erleichterung. Alle Passagiere können zurückfliegen und auch gebuchte Passagiere können ohne Sorge zum Flughafen fahren, weil es für sie Ersatzflüge gibt. Der Grund: Hamburg International flog fast ausschließlich für Reiseveranstalter. Und bei Airline-Pleiten müssen diese für ihre Kunden gerade stehen.
Anders ist das, wenn ein Passagier direkt bei Hamburg International gebucht hat. Dann geht es ihm wie jedes Jahr wieder Tausenden von Fluggästen, die im Ausland festsitzen, weil ihre Fluggesellschaft zum Konkursrichter gehen musste. Vergangenes Jahr war das beispielsweise Sky Europe aus Bratislava. Sie musste den Flugbetrieb einstellen und ist in Liquidation gegangen.
Fein raus sind bei Airline-Pleiten Pauschalreisende. Um sie muss sich auf jeden Fall der Reiseveranstalter kümmern - auch wenn das Ferienpaket Linienflüge beinhaltet. Bei Insolvenz einer Fluggesellschaft besorgt der Reiseveranstalter auf seine Kosten neue Tickets. Sind die Kunden bereits unterwegs und dauert das länger, muss der Reiseveranstalter auch für die nötigen zusätzlichen Hotelübernachtungen sorgen.
Anders ist das bei Reisenden, die direkt bei einer Fluggesellschaft buchen. Noch ist nicht bekannt, ob das bei Hamburg International der Fall ist. Wenn ja, dann stehen sie dumm da: Ihr Ticket ist nichts mehr wert, weil die ausstellende Airline kein Geld mehr hat. Keine andere Airline nimmt sie mit - höchstens gegen Bezahlung eines neuen Tickets. Selbst Allianzpartner von Pleite-Fluggesellschaften winken bei der Frage nach Hilfe ab. Die gestrandeten Passagiere haben nicht nur den Ärger, sie bleiben auch auf den Kosten sitzen. Denn was bei Pauschalreisen längst Pflicht für Veranstalter ist, das haben die Fluggesellschaften bisher erfolgreich verhindert: eine Pleiteschutzversicherung. Ihr Argument war, dass dies nur eine versteckte Subventionierung kleiner Airlines wäre.
Die alljährlichen Pleiten, allein im Jahr 2009 waren es gut ein Dutzend, zeigen aber, dass die Absicherung von Passagieren längst überfällig ist. Schon seit Jahren wird vom Deutschen Reiseverband auf europäischer Ebene ein »Passenger Protection Plan« gefordert, ein Versicherungsfonds für Passagiere von zahlungsunfähigen Fluggesellschaften. Auch der Verband europäischer Reiseunternehmen Ectaa forderte im vergangenen Herbst von der EU-Kommission, diese Lücke im Schutz von Flugpassagieren zu schließen. Bisher hat die EU aber nur die Absicht geäußert, den bestehenden Insolvenzschutz für Pauschalreisende auch auf den Flugeinzelplatz-Verkauf von Veranstaltern auszuweiten. Durch zunehmende Airline-Konkurse bestehe hier Handlungsbedarf, so die EU-Kommission. Bisher ist jedoch nichts geschehen. Und ob es überhaupt eine Insolvenzschutzversicherung für Kunden von Fluggesellschaften geben wird, das steht in den Sternen.
Vorsichtige Reisende sollten daher genau überlegen, wem sie ihr Geld anvertrauen. Schließlich gibt es fast immer Alternativen - selbst dann, wenn das Ziel nur von einem unsicheren Kandidaten bedient wird. Dann kann man prüfen, ob die Strecke im so genannten Code Sharing von mehreren Gesellschaften angeboten wird. Wer sich in so einem Fall das Ticket auf den solventen Partner ausstellen lässt, der steht auf der sicheren Seite. Weniger Risiko haben auch Passagiere, die für die Flugbuchung ins Reisebüro gehen. Denn Reisebüros haben eine gewisse Fürsorgepflicht gegenüber ihren Kunden und dürfen daher keine Tickets von Airlines vermitteln, die nahe an der Insolvenz sind. Auf jeden Fall muss der Reisebüromitarbeiter den Kunden auf die Risiken hinweisen.
Und wer auf Nummer sicher gehen will, der bucht den Flug zusammen mit einer weiteren Leistung, etwa einer Zwischenübernachtung oder einem Mietwagen, bei einem Reiseveranstalter. Der muss gestrandeten Passagieren helfen und ist überdies selbst gegen Insolvenzfolgen abgesichert.
(Oktober 2010, Rainer Krause, srt)